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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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des Paartisches und hatte neben sich einen Platz freigehalten. Sie lächelte Samuel zu, als er sich dem Tisch näherte.
    Er ging vorbei.
    Katies Augen wurden bei jedem seiner Schritte größer, doch Samuel suchte sich einen Platz an dem Tisch für Singles. Fast alle Augenpaare folgten ihm und huschten dann zurück zu Katie, aber niemand sagte ein Wort. Katie senkte den Kopf, beugte den Hals, und ihre Wangen brannten.
    Als die hellen Töne eines Lobliedes erklangen, ging ich langsam zum Tisch der Paare und setzte mich neben Katie.
    Mit geschlossenen Augen hätte ich sie niemals für amische Jugendliche gehalten. Das Gemurmel und Geplapper, das Klimpern der Gläser und Klappern der Teller, als Snacks herumgereicht wurden, all das schien mir vertraut und englisch . Auch die Pärchen, die nach draußen schlenderten, die Gesichter brennend von einem inneren Fieber, schienen viel besser in meine Welt zu passen als in Katies.
    Katie saß auf einem Stuhl, umringt von treuen Freundinnen, die über den Grund für Samuels Abtrünnigkeit spekulierten, als plötzlich Samuel, den Hut in der Hand, auf Katie zu trat. »Hallo«, sagte er.
    »Hallo.«
    »Kann ich dich nach Hause bringen?«
    »Ich bin mit meiner eigenen Kutsche hier. Und Ellie ist mitgekommen.«
    »Vielleicht kann Ellie ja allein nach Hause fahren.«
    Ich trat lächelnd vor. »Tut mir leid, Katie, du kannst gern ein bißchen mit Samuel allein sein, aber ich setze mich nicht allein auf einen Kutschbock.«
    Samuel warf mir einen Blick zu. »Meine Cousine Susie hat angeboten, Sie zurück zu den Fishers zu fahren, wenn Sie möchten. Und ich könnte Susie dann später wieder mitnehmen.«
    Katie wartete, bereit, sich meinem Wunsch zu fügen. »Na schön«, seufzte ich und fragte mich, ob Susie wohl schon alt genug war, um in meiner Welt einen Führerschein zu haben.
    Ich sah zu, wie Katie in die offene Kutsche stieg, mit der Samuel gekommen war. Dann stieg ich in die Familienkutsche der Fishers und setzte mich neben meine Fahrerin, ein schmächtiges Mädchen mit dicker Brille. Kurz bevor wir losfuhren, winkte Katie mir zu und lächelte nervös.
    Die Heimfahrt dauerte lange, schweigsame fünfzehn Minuten. Die unmittelbare Nähe zu einer Nichtamischen schien Susie die Sprache verschlagen zu haben. Als wir bei den Fishers ankamen, blieb ich einfach in der Kutsche sitzen, um auf Katie zu warten. Einen Augenblick später verkündete das leichte Getrappel von Hufen auf festem Sand, daß Samuels Pferd im Anmarsch war.
    Ich hätte mich bemerkbar machen müssen. Statt dessen wich ich tiefer in die Dunkelheit der Kutsche zurück und lauschte, was Katie und Samuel sich zu sagen hatten.
    »Sag es mir einfach.« Samuels Stimme war so leise, daß ich sie nicht gehört hätte, wenn der Wind nicht in meine Richtung geweht hätte. »Sag mir, wer es war.« Katie schwieg. »War es John Lapp? Ich hab gesehen, wie er dich angestarrt hat. Oder Karl Mueller?«
    »Es war niemand«, beschwor ihn Katie. »Hör endlich auf.«
    »Es war jemand ! Jemand hat dich angefaßt. Jemand hat dich in seinen Armen gehalten. Jemand hat dieses Kind gemacht!«
    »Es hat kein Kind gegeben! Es hat kein Kind gegeben!« Katies Stimme wurde schriller. Sie sprang von der Kutsche und lief ins Haus.
    Ich kam aus meinem Versteck hervor und sah Samuel an.
    »Es hat ein Kind gegeben«, sagte Samuel.
    Ich nickte. »Es tut mir leid.«
    E. Trumbull Tewksbury traf kurz nach dem Mittagessen ein. Er hatte eine verspiegelte Sonnenbrille auf, trug einen schwarzen Anzug und einen Bürstenhaarschnitt. Er ließ den Blick über die Farm wandern, als hielte er nach Attentätern und Terroristen Ausschau, und dann fragte er, wo er sein Gerät aufbauen könne. »In der Küche«, sagte ich und ging mit ihm ins Haus, wo Katie schon wartete.
    Bull, der früher beim FBI gewesen war und sich danach selbständig gemacht hatte, war schon öfters für mich tätig gewesen. Wenn er seinen tragbaren Lügendetektor aufbaute, ging nicht nur ein dem Anlaß entsprechender Ernst von ihm aus, sondern auch eine vage Drohung, die den Mandanten spüren ließ, daß er – schuldig oder nicht – gut beraten war, die Wahrheit zu sagen.
    Da der amische Bischof den Test genehmigt hatte, ließ Aaron uns widerwillig in Ruhe. Wir waren also unter uns, nur ich, Katie und Sarah, die fest die Hand ihrer Tochter hielt.
    »Tief durchatmen«, sagte ich, zu Katie gebeugt. Sie war völlig verängstigt. Natürlich wußte ich nicht, ob das an Schuldgefühlen lag oder daran,

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