Die einzige Wahrheit
gerade über die Schulter zulächelte, machte Sadie einen Satz und stieß mir in den Bauch, als sie in die Freiheit davonsprang.
»Ellie!« schrie Katie. »Was hast du gemacht?«
Zunächst konnte ich nicht antworten, geschweige denn atmen.
Katie trieb das Kalb in einem Halbkreis wieder auf mich zu. »Pack ihre Vorderbeine«, rief sie. Ich packte Sadies Vorderbeine und brachte das Kalb zu Fall.
Keuchend hakte Katie die Kette am Halsband ein. Dann setzte sie sich neben mich und schnappte nach Luft. »Tut mir leid«, sagte ich schnaufend. »Ich hatte keine Ahnung.« Ich sah Sadie nach, die sich wieder in den Schatten ihres Verschlags zurückzog. »War aber eine prima Attacke von mir. Vielleicht sollte ich mich bei den Eagles bewerben.«
»Eagles?«
»Football.«
Katie starrte mich verständnislos an. »Was ist das?«
»Na, das Spiel, du weißt schon. Im Fernsehen.« Ich merkte, daß sie gar nichts verstand. »Das ist wie Baseball«, erklärte ich, »nur anders. Und die Eagles sind Profis, was bedeutet, daß sie viel Geld fürs Footballspielen bekommen.«
»Sie bekommen Geld dafür, daß sie ein Spiel spielen?«
Das klang wirklich unsinnig. »Äh, ja, genau.«
»Und was arbeiten die?«
»Das ist ihre Arbeit«, erklärte ich. Aber jetzt kam es mir selbst komisch vor.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Katie.
Und wie ich so dasaß, auf der Fisher-Farm, verstand ich es in dem Moment auch nicht mehr.
Ich blickte Coop amüsiert an. »Ihr habt euch scheiden lassen, weil ihr euch wegen einer Bankangelegenheit gestritten habt?«
»Na ja, nicht ganz. Wahrscheinlich war das nur der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte.«
Wir saßen nebeneinander auf einem Ackergerät vor einem großen Tabakfeld. »Laß mich raten. Kreditkartenschulden. Sie war kaufsüchtig.«
Coop schüttelte den Kopf. »Es ging um ihre Geheimzahl für den Geldautomaten.«
Ich lachte. »Wieso?«
Er seufzte. »Ich hatte mein Portemonnaie zu Hause liegenlassen, und wir waren in einem Restaurant. Wir brauchten Bargeld, also wollte ich mit ihrer Karte Geld ziehen gehen. Aber als ich sie nach der Geheimzahl fragte, wollte sie sie mir nicht sagen.«
»Eine Geheimzahl soll man nun mal geheimhalten«, wandte ich ein.
»Ich bin kein Typ, der sämtliche Konten leerräumt, Ellie. War ich auch nie. Aber sie blieb stur. Wollte mir einfach nicht vertrauen. Und da fragte ich mich, ob sie überhaupt Vertrauen zu mir hatte.«
Ich spielte mit einem Knopf an meiner Strickjacke, unsicher, was ich sagen sollte. »Einmal, als Stephen und ich schon, ach, ich weiß nicht – sechs Jahre? – zusammen waren, bekam ich eine Grippe. Er hat mir das Frühstück ans Bett gebracht – Eier, Toast, Kaffee. Es war lieb von ihm, aber er hatte Milch und Zucker in meinen Kaffee getan. Und sechs Jahre lang hatte ich ihm Tag für Tag gegenübergesessen und meinen Kaffee schwarz getrunken.«
»Was hast du gemacht?«
Ich lächelte schwach. »Mich überschwenglich bedankt und noch zwei weitere Jahre mit ihm zusammengelebt. Was wäre mir auch anderes übriggeblieben?«
»Es gibt immer eine Alternative, Ellie.«
Ich tat so, als hätte ich das nicht gehört, starrte über das Tabakfeld und beobachtete die Glühwürmchen, die die Pflanzen schmückten wie Weihnachtsbeleuchtung im Juli. »Das da ist Duwwack «, sagte ich.
»Du wechselst mal wieder das Thema«, sagte Coop. »Typisch Ellie.«
»Wie meinst du das?«
»Das weißt du ganz genau.« Er zuckte die Achseln. »Das machst du schon seit Jahren.«
Ich kniff die Augen zusammen und sah ihn an. »Du hast keine Ahnung, was ich schon seit Jahren –«
»Das«, fiel er mir ins Wort, »war nicht meine Entscheidung.«
Ärgerlich verschränkte ich die Arme. »Ich kann mir ja vorstellen, daß das bei dir beruflich bedingt ist, aber es gibt Menschen, die nicht dauernd in der Vergangenheit wühlen möchten.«
»Noch immer empfindlich wegen damals?«
»Ich?« Ich stieß ein ungläubiges Lachen aus. »Für jemanden, der behauptet, daß er mir vergeben hat, reitest du etwas zu viel auf unserer gemeinsamen Geschichte herum.«
»Vergeben und vergessen sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.«
»Du hattest zwanzig Jahre Zeit, es dir aus dem Kopf zu schlagen. Vielleicht schaffst du es ja wenigstens so lange, wie du mit meiner Mandantin zu tun hast.«
»Meinst du wirklich, ich würde zweimal pro Woche hier rausfahren, um umsonst ein amisches Mädchen zu therapieren?« Coop streckte den Arm aus und legte seine flache Hand an
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