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Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
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Sie saß im Schneidersitz auf dem Fußboden im Wohnzimmer und aus dem CD-Player kam laute Musik. Auf der anderen Seite des Zimmers lagen Julie und Ryan eng umschlungen auf dem Sofa. Julie wirkte geisterhaft blass neben Ryans tiefdunkler Haut. Sie trug ein Shirt in knalligem Pink über engen weißen Jeans. Sie sah aus wie eine Puppe. Ryan steckte in seinem üblichen gut gebügelten und mit Markenlabeln ausgestatteten Outfit. Seine Turnschuhe waren schneeweiß.
    Sie bildeten ein merkwürdiges Paar, und doch strich Ryan Julie liebevoll über die Schulter, hörte sich alles an, was sie zu sagen hatte, lachte mit ihr und neckte sie.
    Sein Kumpel Dexy saß neben dem Couchtisch und trank Bier aus einer Dose. Er hatte hellere Haut als Ryan und sein Haar war kürzer, fast ganz abrasiert. Von Zeit zu Zeit zog er sein Handy aus der Hosentasche und schrieb eine SMS.
    Sie waren gegen neun Uhr zu ihr gekommen.
    »Dexy, das ist meine Freundin Lauren«, hatte Julie gesagt und Ryan hinter sich in die Küche gezogen.
    »Hi, Loreen«, sagte Dexy und musterte sie von oben bis unten.
    »Lauren« , sagte sie.
    Nachdem sie sich etwas zu trinken gemacht, das Bier im Kühlschrank verstaut und Chips und Nachos in Schälchen gefüllt hatten, zog Julie Lauren nach oben, um den CD-Player zu holen.
    »Was hast du denn an!«, schimpfte Julie in einem lauten Flüstern.
    Lauren sah an sich herab. Sie trug eine saubere Version ihrer üblichen Kleidung. Jeans und ein weites Hemd über einem Trägertop.
    »Du machst wirklich gar nichts aus dir!«, sagte Julie und zog an Laurens Hemd, bis sie im Top dastand. »So ist es besser.«
    Ihre Arme waren nackt und das Top schmiegte sich eng an ihren Oberkörper. Lauren fühlte sich unwohl.
    »Und die Haare!«
    Julie zog das Gummi aus ihren Haaren, so dass sie offen herunterfielen. Sie kitzelten Lauren auf der nackten Haut.
    »So ist es besser!«
    Lauren folgte Julie ins Wohnzimmer. In der einen Hand hielt sie ihr Glas, mit der anderen strich sie ihr Haar zurück. Als sie sich setzte, ließ sie es wie einen Vorhang vor ihr Gesicht fallen. Dexy schien die Veränderung gar nicht zu bemerken. Er zeigte nicht das geringste Interesse an ihr. Er saß so weit entfernt wie möglich in der anderen Ecke des Sofas und antwortete gelangweilt auf ihre Fragen.
    Lauren setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und hörte Musik, während Julie und Ryan sich unterhielten und sie manchmal mit einbezogen. Als sie zu knutschen anfingen, wandte Lauren den Blick ab, starrte auf die Anzeige des CD-Players und nippte an ihrem Wodka.
    Dexy ging in die Küche, um sich noch ein Bier zu holen, und Lauren hielt ihm ihr Glas hin. Dieses Mal spürte sie den Alkohol deutlich. Als Julie sich später noch etwas zu trinken holte, war Laurens Glas schon wieder leer. Julie füllte es für sie auf und verdünnte den Cocktail mit Limonade. Das Getränk rann sprudelnd durch ihre Kehle.
    Zum ersten Mal, seit sie die Anwaltskanzlei verlassen hatte, fühlte sie sich besser. Der Ärger, den Rachel Morris’ Worte in ihr ausgelöst hatten, klang langsam ab. Solange sie alleine gewesen war, hatte sie an nichts anderes denken können. Als Jessica vorhin angerufen hatte, war sie drauf und dran gewesen, ihr alles zu erzählen. Aber Jessica sprudelte nur so über vor Neuigkeiten. Sie hatte einen Aushilfsjob an der Rezeption eines Hotels, und ein alter Freund, den sie lange nicht gesehen hatte, war gerade bei ihr zu Besuch. Lauren kam kaum zu Wort. Wie geht es den Katzen?, war alles, was sie gegen Ende des Gesprächs einwerfen konnte.
    Der Wodka tat gut. Das Getränk war so kalt, dass ihre Zähne schmerzten, aber es bewirkte, dass sie sich ganz leicht und weich fühlte, ganz ohne Ecken und Kanten. Sie schaute Dexy von der Seite an. Eigentlich sah er ganz gut aus. Sie musste kurz an Nathan in seinem Cuba -Shirt denken. Was er wohl gerade machte? Sie sah ihn vor sich, wie er im Dachzimmer an seinem Laptop saß.
    »Hey, Lauren! Nicht so ernst!«, rief Julie und sprang auf, um die CD zu wechseln. Die Musik wurde schneller, und Julie fing an zu tanzen und auf und ab zu hüpfen wie eine Marionette.
    »Los, ihr auch!«, rief sie.
    Ryan blieb, wo er war und strich über seine Jeans. Dexy starrte auf sein Handy. Lauren stand auf und ging in die Küche, um sich noch etwas zu trinken zu holen. Julie folgte ihr.
    »Lauren, ist es in Ordnung, wenn Ryan und ich …?«
    Sie zeigte zur Decke. Lauren brauchte einen Moment, bis der Groschen fiel. Sie wollte mit Ryan nach oben

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