Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
Vom Netzwerk:
gehen. Ins Schlafzimmer.
    »Ihr könnt in Jessicas Zimmer gehen. Es ist keine Bettwäsche da, aber …«
    Julie drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Dann seid ihr zwei auch ein bisschen unter euch«, sagte sie und grinste.
    Ryan sah etwas schuldbewusst und verlegen aus, als Julie ihn hinter sich her aus dem Zimmer zog. Lauren setzte sich aufs Sofa. Sie nahm große Schlucke aus ihrem Glas. In ihrem Kopf war es leicht und ein bisschen schummerig. Als sie oben die Schlafzimmertür hörte, setzte sie sich aufrecht und klopfte auf den freien Platz neben sich.
    »Setz dich doch hier hin«, sagte sie achtete darauf, dass ihre Stimme nicht schwankte.
    Dexy stand auf, steckte sich das Handy in die Tasche, klopfte seine Hose glatt und ging zu ihr. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie fühlte, dass sie ihm entgegenkippte und versuchte, sich gerade zu halten. Sie drehte sich zu ihm, strich sich das Haar zurück und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Er erwiderte den Kuss und schob ihr die Zunge in den Mund. Sofort merkte sie, dass sie nichts von ihm wollte. Sie zog ihr Gesicht zurück und hob die Hand, damit er nicht noch näher kam.
    »Tut mir leid«, sagte sie.
    Sie war müde. Sie wollte sich aufs Sofa legen und schlafen. Dexy schien ungerührt. Er stand auf.
    »Kein Ding, Loreen. Du bist sowieso nicht mein Typ.«
    »Lauren« , sagte sie.
    »Man sieht sich.«
    Sie war beleidigt. Sie setzte sich aufs Sofa, während Dexy das Zimmer verließ und über den Flur ging. Sie stand ja noch nicht mal auf ihn. Sie hörte die Haustür ins Schloss fallen. Dann legte sie sich auf den Boden und streckte die Beine aus. Sie war völlig erschöpft. Von oben hörte sie ein Lachen. Es klang, als hätte Julie ihren Spaß. Sie schloss die Augen und versteckte ihr Gesicht unter einem Kissen. Noch mehr Gelächter, vielleicht kam es von der Straße. Sie fühlte sich benommen. Gesichter von lachenden Menschen geisterten durch ihren Kopf. Irgendwo in der Mitte tauchte das Gesicht eines Clowns auf, mit weißer Haut, blutroten Lippen und toten Augen. Sie murmelte etwas, drehte sich auf die Seite und schüttelte die Bilder ab. Sekunden später war sie fest eingeschlafen.

    Als sie erwachte, war es stockdunkel. Es schien mitten in der Nacht zu sein, draußen auf der Straße war es vollkommen ruhig. Sie versuchte aufzustehen, aber ihr war schwindelig. Wo waren Julie und Ryan? Immer noch oben? Sie fühlte sich zu schwach, um nach ihnen zu rufen. Falls sie noch da waren, schliefen sie außerdem sicher tief und fest. Sie ließ den Kopf auf das Kissen fallen und schlief sofort wieder ein.

    Später war es hell. Sie hob den Kopf und spürte das gleiche unangenehme Gefühl wie in der Nacht. Ihr Kopf war schwer, und ihre Haut spannte. Sie versuchte sich hinzusetzen, entschied sich aber dann dagegen. Sie stellte fest, dass ihre Bettdecke neben ihr auf dem Boden lag. Julie musste sie zugedeckt haben.
    Von draußen hörte sie die Vögel zwitschern. Ein hoher Ton, der stoßweise hervorkam, dann Stille, wie eine einzelne Zeile aus einem Lied. Sie schloss die Augen. Sie konnte nicht mehr schlafen, aber ihrem Kopf ging es besser, wenn sie die Augen zumachte. Sie zog die Decke über sich. Das Vogelgezwitscher war nur noch gedämpft zu hören. Rachel Morris kam ihr in den Sinn, und sie erinnerte sich an die gehäkelte Brosche. Wie strahlend und fröhlich diese Frau aufgetreten war. Als wollte sie ihr einen Lottogewinn verkünden. Stattdessen hatte sie Lauren über ihre Vergangenheit ausgefragt. Können Sie sich erinnern, dass …?
    Der einzige Clown, den sie gesehen hatte, war bei der Party zum zehnten Geburtstag der Nachbarsmädchen gewesen. Die Zwillinge waren älter als sie, aber sie hatten manchmal miteinander gespielt. Molly war immer nett zu Lauren gewesen, und manchmal ging Lauren nach nebenan, wenn ihre Mutter eine Pause brauchte. Mama braucht ein bisschen Zeit für sich und das Baby , sagte Molly dann, nahm Lauren bei der Hand und ging mit ihr ins Nachbarhaus, wo sie einen Vor- oder Nachmittag mit den Zwillingen verbrachte.
    Die Geburtstagsparty hatte an einem Freitag nach der Schule stattgefunden. Ihre Mutter hatte ihr etwas Neues zum Anziehen geschenkt, ein Micky-Maus-Shirt und eine Jeans mit Glitzersteinchen. Es konnte sogar sein, dass es kurz vor dem Zeitpunkt gewesen war, als ihre Mutter und ihre Schwester umgebracht worden waren. Einen Monat vorher? Eine Woche? Einen Tag? Der Abstand war aus ihrer Perspektive so schwer

Weitere Kostenlose Bücher