Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eisbärin (German Edition)

Die Eisbärin (German Edition)

Titel: Die Eisbärin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Gereon
Vom Netzwerk:
noch tätig?“
    „Nein, er ist mittlerweile Anfang 80. Ich habe ein bisschen recherchiert. Praxis in Aachen. Mit 67 ist er in Rente gegangen. Er muss ganz gut gewesen sein. Im Internet tauchen jede Menge Fachartikel auf, in denen er zitiert wird.“
    „Von mir aus“, sagte Klein. „Aber ich denke, du hast recht. Wir sollten mit ihm reden. Vielleicht kann er Licht in die Sache Lüscher bringen.“
    Klein stand auf.
    „Möchtest du auch einen Kaffee?“, fragte er.
    „Gern.“
    Als er wenige Minuten später den heißen Becher auf ihren Schreibtisch stellte, streifte sein Blick den Bildschirm des Laptops.
    „Ist das der Arzt?“, fragte er.
    Bergmann sah kurz von ihren Unterlagen auf.
    „Ja, Dr. Ehrmann. Das ist einer dieser Artikel. Sie haben ein altes Bild von ihm eingefügt. Ich schätze, es zeigt ihn in seiner früheren Praxis.“
    Klein betrachtete das Foto des Arztes. Der reservierte Blick, der weiße Kragen des akkurat gebügelten Kittels, die Fingerspitzen beider Hände locker gegeneinandergelehnt. Er wollte sich gerade abwenden, als irgendetwas sein Interesse an sich zog. Er konnte nicht sagen, was es war, aber das Zucken seines Unterbewusstseins war ein eindeutiges Signal. Klein vergrößerte die Distanz zum Bildschirm, ging dann wieder näher heran. Er musterte den Arzt selbst, dann die Gegenstände auf dem Schreibtisch, aber das war es nicht. Erst als er seine Aufmerksamkeit auf den Hintergrund lenkte, überkam ihn erneut dieses Gefühl.
    Und dann sah er es. Am rechten, oberen Bildrand bemerkte er ein Foto an der Wand, das nur zur Hälfte erkennbar war, ihm aber dennoch seltsam bekannt vorkam. Bergmann war sein sonderbares Verhalten nicht entgangen.
    „Was ist?“, fragte sie ein wenig belustigt.
    „Kannst du einen Ausschnitt vergrößern?“
    „Klar. Was hast du denn gesehen?“
    „Weiß ich selber noch nicht genau“, sagte Klein und zeigte auf die Stelle, die er meinte.
    Er hatte Glück. Es war ein hochauflösendes Bild, so dass die Zoomfunktion tatsächlich etwas bewirkte. Das Foto im Hintergrund war eine Schwarzweißaufnahme, die eine Gruppe junger Männer zeigte. Alle in kurzen Hosen und weißen, ärmellosen Hemden mit dem gleichen Abzeichen auf der Brust.
    „Ich kenne dieses Foto“, sagte Klein und betrachtete es lange. Dann legte er die Hände in die Hüften und schloss die Augen. Sein Hirn suchte minutenlang fieberhaft nach der Verbindung, dann endlich rückten die Puzzleteile an ihren Platz.
    „Weinheimer!“, platzte es aus ihm heraus. „Die Ruderer! Genau dieses Foto hing in seinem Arbeitszimmer. Ich habe es gesehen, als er nebenan bei seiner kranken Frau war.“
    „Bist du sicher? Was soll das bedeuten?“
    Klein musste nicht lange suchen, es war der Zweite von links.
    „Hier“, sagte er, nahm die Maus und bewegte den Cursor an die passende Stelle. „Das ist Weinheimer. Und hier!“ Nun zeigte er auf die Person, deren rechte Schulter durch den Bildrand abgeschnitten wurde. „Schau auf die Augen und die spitze, lange Nase. Ich wette, das ist der Arzt.“
    Bergmann verglich die junge Ausgabe des Arztes mit der gealterten Version.
    „Du könntest recht haben, ich verstehe aber noch immer nicht, was uns das sagen soll.“
    „Das sagt uns, dass Weinheimer gelogen hat. Erinnerst du dich nicht? Er sagte ausdrücklich, er kenne den Arzt nicht, der Lüscher damals untersucht habe.“
    „Ja, ich erinnere mich.“
    „Und dieses Foto ist der Beweis, dass die beiden sich sehr wohl gekannt haben müssen.“
    Klein ging in Gedanken zurück in Weinheimers Arbeitszimmer. Er versuchte, sich das zweite Bild in Erinnerung zu rufen, vor dem er gestanden hatte. Jene Aufnahme, die Weinheimer nach seinem Examen zeigte.
    „Bonn“, sagte er schließlich. „Diese Abzeichen auf den T-Shirts. Versuch es mal mit der Uni Bonn.“
    Es dauerte keine Minute, bis Bergmann herausgefunden hatte, dass Klein mit seiner Vermutung richtiglag. Das Emblem auf der Brust der jungen Männer war das Siegel der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn.
    „Irgendeine Rudermannschaft“, spekulierte er. „Eine Verbindung vielleicht.“
    20 Minuten später waren sie auf dem Weg zu der prachtvollen Altersresidenz in Hünxe, einer friedlichen, sauberen Kleinstadt fernab des nördlichen Ruhrgebiets. Nach einer Stunde Fahrt waren sie am Ziel. Doch keine 10 Minuten später saßen Klein und Bergmann schon wieder im Auto und traten übellaunig den Rückweg an.
    Sie hatten den Grund ihres Kommens am Telefon

Weitere Kostenlose Bücher