Die Eisbärin (German Edition)
Essen?“
„Nun, das hätte ich längst erwähnt, aber den bisherigen Verlauf unseres Gespräches habe nicht ich zu verantworten. Herr Martens, es geht hier um einen Mordfall.“
„Was? Davon weiß ich nichts. Ich kenne niemanden, der gestorben ist.“
Klein entschied sich, dem Mann zu glauben. Er hatte seine Fassade fallenlassen und einen schwachen, ängstlichen Kern freigelegt.
„Die Tat liegt einige Wochen zurück. Das Opfer heißt Herbert Lüscher. Sagt Ihnen der Name etwas?“
Martens atmete tief ein und ließ die Luft geräuschvoll wieder entweichen. „Sie wären doch nicht hier, wenn Sie es nicht bereits wüssten, stimmt’s?“
„Herr Martens“, bellte Klein. „Ihre letzte Chance. Reißen Sie sich zusammen!“
Martens stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und vergrub das Gesicht in seinen Händen.
„Ja“, sagte er leise. „Ich kannte ihn. Ich meine, nicht persönlich. Bin ihm nie begegnet, habe immer nur am Telefon mit ihm gesprochen.“
„Worum ging es bei diesen Telefonaten?“
Klein kannte die Antwort, aber er wollte, dass sie jemand aussprach. Sein Ärger über Martens war verraucht, er fühlte ein Hochgefühl in sich aufsteigen, wie er es lange nicht mehr erlebt hatte. Endlich zeichneten sich handfeste Ergebnisse ab.
„Lüscher hat regelmäßig Frauen bei mir gebucht“, erklärte Martens. „Immer den kleinsten Tarif, das heißt für eine Stunde.“
„Wie oft hat er das getan?“
Martens überlegte erneut.
„Unterschiedlich“, sagte er dann. „Aber im Schnitt waren es zwei bis drei Termine im Monat.“
Er sagt die Wahrheit, dachte Klein. Zumindest bis jetzt.
„War es immer die gleiche Frau, die ihn besuchte?“
„Nein, da hatte er keine besonderen Wünsche. Nur zu alt durfte sie nicht sein, 25 war die Obergrenze für ihn.“
„Wie viele Frauen kommen in Betracht?“
„Unsere Agentur hat ständig wechselndes Personal. Derzeit verfügen wir über neun Frauen, sieben von ihnen sind jünger als 25.“
Klein drehte sich um und nickte Bergmann zu. Sie erwiderte und verschwand in Richtung Flur.
„Warum fragen Sie mich das alles“, wollte Martens wissen, als er mit Klein alleine war. „Wollen Sie andeuten, dass eines meiner Mädchen etwas mit dem Mord zu tun haben könnte?“
„Das wissen wir nicht“, antwortete Klein. „Aber selbstverständlich müssen wir das überprüfen.“
„Ich führe diese Agentur im fünften Jahr. Nie hat es irgendwelche Schwierigkeiten gegeben. Unsere Mädchen sind keine billigen Nutten, die lügen und stehlen. Sie verdienen gut und würden diesen Job nicht durch irgendwelche Dummheiten aufs Spiel setzen.“
„Herr Martens, ich möchte offen zu Ihnen sein. Bis jetzt haben wir gegen Sie keinen Verdacht. Sie sind lediglich ein Zeuge, ein wichtiger Zeuge in einer Mordermittlung. Aber ich fürchte, wir müssen sämtliche Unterlagen und alle elektronischen Datenträger bei Ihnen sicherstellen.“
„Das geht nicht“, erwiderte Martens erregt. „Sie sagten selbst, ich bin nur Zeuge. Ich kenne meine Rechte.“
„Ich kenne die meinigen ebenfalls, das dürfen Sie mir glauben. Frau Bergmann ist draußen und telefoniert mit dem Staatsanwalt. Dieser wird eine richterliche Verfügung erwirken, die auf die Beschlagnahme von Beweismitteln bei unverdächtigen Personen abzielt. Wenn es um Kapitalverbrechen geht, haben wir gewisse Möglichkeiten.“
„Mein Geschäft lebt von der Diskretion, Herr Klein. Was meinen Sie, was passiert, wenn unsere Kunden erfahren, dass ihre persönlichen Daten in die Hände der Polizei gefallen sind. Dann kann ich den Laden dichtmachen, verflucht.“
„Uns interessiert lediglich das, wonach wir suchen. Alles andere wird nicht nach draußen dringen. Über moralische Fragen haben Polizei und Justiz nicht zu befinden.“
„Werden Sie die Mädchen verhaften?“
„Wir werden uns mit jeder von ihnen unterhalten müssen, das ist richtig. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, mir sämtliche Namen und Adressen Ihrer Mitarbeiterinnen zur Verfügung zu stellen.“
Michael Martens saß zusammengesunken in seinem Drehstuhl und schüttelte den Kopf. Von seiner anfänglichen Arroganz war nichts mehr übrig.
„Herr Martens, sehen Sie es so. Je kooperativer Sie sich verhalten, desto schneller sind Sie uns wieder los. Mit etwas Glück und Geschick wird niemand merken, dass Ihr Laden Gegenstand polizeilicher Ermittlungen war.“
Martens verharrte eine Weile reglos, dann drehte er sich um, öffnete eine Schiebetür und zog
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