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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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gelegt.«
    »Es wäre aber schon
sehr merkwürdig, wenn die Leute von Bergtækni
zufällig auf so einen Grabhügel gestoßen
wären«, meinte Matthias. »Der würde in dieser
Landschaft doch auffallen.«
    »Vielleicht mussten sie
irgendwo graben und haben erst nach dem Abtransport der Steine
gemerkt, dass da ein Grab war.«
    »Könnten die Knochen
von einem Menschen aus dem Jahr 1918 stammen?«, fragte
Dóra.
    »Nein,
ausgeschlossen«, Finnbogi strich über den Scheitel des
Schädels, »so alt ist er nicht.« Er warf
Dóra einen verwunderten Blick zu. »Warum fragst du
danach?«
    »Ich habe gelesen, dass es
hier eine Siedlung gab, in der alle verhungert sind. Ich dachte, es
könnte einer der ersten Siedler gewesen
sein.« 
    »Das passt nicht«,
seufzte der Arzt. »Leider. Wäre eine praktische
Erklärung.«
    »Und was ist mit dem
Zettel?« Dóra zeigte auf einen Papierschnipsel, der
unter dem Schädel in der Schublade gelegen hatte. Darauf stand
mit dickem schwarzem Filzstift G57.
    »Ob der was damit zu tun
hat? Der lag bestimmt schon vorher in der Schublade.«
Matthias schaute zu dem Namensschild an der Bürotür.
»Der Schreibtisch gehört einem der Mitarbeiter, die sich
weigern, zurück ins Camp zu fahren. Vielleicht wurde der
Schädel gefunden, als Eyjólfur und Friðrikka vor
Ort waren, und sie wissen etwas darüber.« Er wandte sich
an den Arzt. »Das ist vielleicht eine dumme Frage, aber kann
man irgendwie erkennen, ob diese Frau eines natürlichen Todes
gestorben ist?«
    »An einer
Schädelverletzung jedenfalls nicht. Die Knochen sind heil. Den
Zähnen nach zu urteilen war sie noch jung und ist nicht aus
Altersgründen gestorben. Außerdem sehen die Zähne
sehr gepflegt aus. Unmöglich zu sagen, ob sie an einer
Krankheit, durch einen Unfall oder Gewalteinfluss gestorben ist.
Das Ganze ist jedenfalls ziemlich merkwürdig. Normalerweise
würden die Knochen auf einem Friedhof liegen. Die gibt es hier
in den meisten Siedlungen.«
    Dóra hörte, wie sich
vertraute Schritte näherten. Bella erschien mit
undurchdringlichem Gesichtsausdruck in der Türöffnung.
Matthias hatte ihr aufgetragen, die übrigen Räume zu
kontrollieren. »In allen Schreibtischen, außer
fünf, liegen Knochen«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu
zucken. Keiner war auf die Idee gekommen, dass sie wirklich etwas
finden würde. »Die Schubladen waren abgeschlossen, aber
Friðrikka hat mir gesagt, dass alle dasselbe Schloss haben. Sie
hat in einem der Büros einen Schlüssel entdeckt, und der
hat auf alle gepasst. Anfassen wollte ich die Knochen nicht, ihr
kommt also besser mit und schaut es euch mit eigenen Augen
an.«
    »Scheint ein ganzes
Skelett zu sein.« Der Arzt schien keine Ahnung zu haben, wie
er diesen merkwürdigen Knochenfund interpretieren sollte.
»Vielleicht fehlt auch was, aber die wichtigsten Knochen sind
jedenfalls da. Man müsste untersuchen, ob sie von ein und
derselben Person stammen, aber davon gehe ich
aus.«
    »Wir fassen die Knochen
nicht an und informieren die Polizei«, sagte Matthias mit
Nachdruck und schloss die letzte Schreibtischschublade. »Wir
hätten den Schädel eigentlich auch liegen lassen sollen,
aber das lässt sich nun nicht mehr rückgängig
machen.«
    Der Wind fegte gegen die
Hauswand, und die Stützpfeiler des Gebäudes knarrten.
Dóra erschauerte; der Sturm musste jeden Moment über
sie hereinbrechen. Die Fenster, die in die Richtung zeigten, aus
der der Wind kam, bogen sich bereits, und Dóra war davon
überzeugt, dass es gleich Scherben regnen würde.
Unauffällig versuchte sie, sich von den Fenstern fernzuhalten.
Zum Brausen des Windes gesellte sich ein gleichmäßiges
Klopfen auf dem Dach. Der Arzt meinte, es müsse von einer
losen Dachplatte stammen. Dóra fand das Geräusch
unheimlich, und das andauernde Klopfen zerrte an ihren Nerven. Sie
hoffte, dass die Platte einfach abreißen würde, damit
das Geräusch endlich aufhörte.
    Mitten in der Untersuchung der
Knochen waren Friðrikka und Eyjólfur ins
Bürogebäude geplatzt. Beide wussten nichts darüber.
Sie standen in dem kleinen Vorraum, klopften sich den Schnee ab und
wirkten ehrlich erstaunt. Man beschloss, dass Eyjólfur das
Netzwerk überprüfen und versuchen sollte, die
Internetverbindung wiederherzustellen. Friðrikka würde
sich über den Projektstand informieren. Die Knochen
änderten schließlich nichts am Zweck ihrer
Reise.
    »Weiß jemand, wie
lange der Sturm anhalten soll?«, fragte Dóra und
spähte in das Schneegestöber. Trotz

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