Die eisblaue Spur
nicht
hören können«, neckte ihn der Arzt. »Diese
Bella kann bestimmt gut auf sich selbst
aufpassen.«
»Die Bohrmänner waren
bestimmt auch keine Angsthasen und sind trotzdem
verschwunden.« Matthias zeigte auf die Tür hinter dem
Arzt. »Und dieser Eingefrorene scheint auch ziemlich
muskulös gewesen zu sein, wenn man bedenkt, was für ein
großer Körper unter der Plastikplane liegt.
Außerdem können wir heute Abend nicht mehr fahren, weil
Dóra dabei sein sollte. Die Grönländerin scheint
ihr zu vertrauen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie uns reinlassen
würde. Dóra könnte zwar auch jetzt mitkommen, aber
wer weiß, wie Friðrikka reagiert, wenn sie mit Bella
allein bleiben muss. Ich kann erst mal keine Tränen mehr
sehen.«
»Ich auch nicht. Wie
hätte sie sich erst angestellt, wenn das ihre Freundin gewesen
wäre?«
Matthias stöhnte bei dem
Gedanken. »Da hofft man ja schon fast, dass sie verschollen
bleibt.«
Er hatte den Satz kaum beendet,
als draußen das Flutlicht anging.
19.
Kapitel
21. März 2008
Dóra war erleichtert,
dass Friðrikka endlich eingeschlafen war, als plötzlich
ein greller Lichtstrahl ihre Lager im Konferenzraum beleuchtete.
Vorsichtig schlüpfte Dóra aus dem Bett und schlich zum
Fenster. Bella hatte auf Friðrikkas Wunsch hin die Gardine
zugezogen. Dóra hob sie an und spähte hinaus.
Draußen stand ein Mann. Panisch ließ Dóra die
Gardine wieder los und wich zurück. Sie wusste, dass er sie
nicht gesehen hatte, weil er ihr den Rücken zudrehte und zum
Wohntrakt schaute. Dennoch wurde Dóra das Gefühl nicht
los, dass er auf sie aufmerksam geworden war. Verzweifelt versuchte
sie, sich zu erinnern, ob die Außentür abgeschlossen
war. Sie betrachtete die friedlich schlafenden Frauen und
überlegte, ob sie sie wecken sollte. Friðrikka lieber
nicht, aber Bella würde wahrscheinlich Ruhe bewahren und den
Mann vielleicht sogar in die Flucht schlagen. »Bella,
Bella«, flüsterte Dóra und rüttelte die
Sekretärin erst sanft, dann kräftiger an der Schulter.
»Wach auf! Draußen ist jemand!« Bella
öffnete ein Auge, und Dóra konnte an ihrem Blick
erkennen, dass sie alles andere als erfreut war, geweckt zu werden.
»Steh auf! Und pass auf, dass du Friðrikka nicht
weckst.«
Draußen ging das Licht
wieder aus, und Bella wurde langsam wach. Sie richtete sich halb
auf und kam dann auf die Beine. Dóra und Bella bildeten ein
merkwürdiges Paar. Bella trug einen Seidenschlafanzug und
Dóra ein Abendkleid aus einem weichen Stoff, das sich
perfekt als Nachthemd eignete. »Wer soll denn da
sein?«, fragte Bella heiser. Sie ging zum Fenster und
spähte hinaus. »Ich sehe niemanden.« Ohne
Flutlicht war es schwieriger, aus dem erleuchteten Zimmer in der
Dunkelheit etwas zu erkennen. Bella zog die Gardine etwas weiter
auf und drehte sich dann abrupt um. » Ich hab ihn gesehen! Er
geht zur Küche.«
Dóra zuckte zusammen.
Unter normalen Umständen hätte sie Matthias angerufen und
gewarnt. »Wir müssen die anderen alarmieren.« Sie
überlegte krampfhaft, ob das Bürogebäude einen
Hinterausgang hatte. »Wir können aus einem der hinteren
Fenster klettern und unbemerkt rüberlaufen.«
Bella zog die Augenbraue hoch.
»Bist du verrückt?«
»Vielleicht schlafen die
Männer, und das könnte doch der Typ aus dem Video sein
...« Dóra tapste mit nackten Füßen
über den kalten Boden.
»Welches Video?«
Bella sprach so laut, dass sich Friðrikka auf dem Boden zu
ihren Füßen bewegte.
Bei der ganzen Aufregung hatte
Dóra vergessen, dass die anderen nichts von dem Video mit
den zuckenden Beinen wussten. »Schon gut, tut nichts zur
Sache. Aber wir müssen sie unbedingt warnen, damit sie nicht
von dem Mann überrascht werden.«
»Am besten, du
gehst«, murmelte Bella. »Eine von uns muss sowieso bei
Friðrikka bleiben. Wir können sie nicht allein
lassen.«
Dóra hatte keine Zeit,
mit Bella zu diskutieren. »Okay, aber du musst mir
versprechen, mich durchs Fenster zu beobachten.« Sie musterte
die Sekretärin argwöhnisch. »Du darfst mich auf
keinen Fall aus den Augen lassen! Auch nicht, um eine zu
rauchen!«
Bella stimmte zu, und
Dóra eilte in den Vorraum, wo sie einen Winteroverall
über ihr Kleid zog. Dann schlüpfte sie hastig in
irgendwelche Stiefel, die, wie der Overall, viel zu groß
waren. Als sie Bella zurief, sie würde jetzt rausgehen, kam
keine Antwort – aber sie musste sich beeilen. In dieser
Montur würde sie es nie schaffen, durchs Fenster zu klettern.
Deshalb ging
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