Die Eiserne Festung - 7
Konversation zu betreiben. Diese Damen zogen nur Kunden aus besseren Kreisen an. Und in der Hierarchie des Tempels war es allgemein bekannt, dass Madame Ahnzhelyks Damen stets diskret waren.
Ja, die Standards, die Ahnzhelyk anlegte, waren hoch, aber auch nicht höher als zu der Zeit, da sie selbst aktiv im Gewerbe tätig gewesen war. Es war erstaunlich, wie viele Mitglieder des Vikariats mit ihr ... vertraulich umgingen, selbst heute noch. Gerade durchquerte Madame Ahnzhelyk langsam den Salon, blieb kurz stehen, wechselte stets hier und da ein paar Worte mit denen, die sie besonders gut kannte. Dazu gab es eine sanfte Berührung an der Schulter, einen keuschen Kuss auf die Wange für die, die sie ganz besonders schätzte. Für alle anderen hatte sie stets ein freundliches Lächeln oder einen Scherz übrig. Niemand, der sie sah, wäre jemals auf die Idee gekommen, sie könnte besorgt sein.
Natürlich war eine der wichtigsten Fertigkeiten einer jeden Kurtisane immenses Schauspieltalent.
Ahnzhelyk wandte den Kopf, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Dann hob sie überrascht die Augenbrauen, als ein gut gekleideter Mann, den sie nie zuvor gesehen hatte, den Salon betrat.
Er war hochgewachsen, säuberlich rasiert, mit haselnussbraunen Augen. Sein braunes Haar trug er ein wenig länger als es derzeit Mode war in Zion; mit einer edelsteinbesetzten Spange hatte er es zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Der schwere schneebedeckte Mantel, den er gerade dem Butler an der Tür reichte, war mit dem Winterpelz einer Peitschenechse besetzt. Um den Hals trug der Fremde eine schwere Goldkette, an den manikürten Fingern goldene Ringe - ein weiteres Zeichen für echten Wohltand. Mit neugierigem Interesse runzelte Ahnzhelyk die Stirn. Der Schönheit ihres immer noch lieblichen Gesichts tat das indes keinerlei Abbruch.
»Bitte entschuldigt mich!«, sagte sie leise zu ihrem derzeitigen Gesprächspartner. »Ich habe gerade jemanden entdeckt, den ich begrüßen sollte, Eure Eminenz.«
»Gewiss, meine Liebe«, erwiderte der Erzbischof, an den sie sich gewandt hatte.
»Ich danke Euch«, sagte sie und schenkte ihm ein herzliches Lächeln.
Mit anmutigen Bewegungen näherte sie sich dem Neuankömmling, der sich gerade umblickte - nicht aufdringlich, aber doch unverkennbar voller Neugier. Dann bemerkte er, dass die Dame des Hauses nahte und wandte sich ihr zu. Wieder lächelte Ahnzhelyk, dieses Mal noch freundlicher, und streckte ihm ihre zarte Hand entgegen.
»Willkommen«, sagte sie nur.
»Ich danke Ihnen«, erwiderte er mit einer angenehmen Tenorstimme. Galant führte er ihre Hand an die Lippen und hauchte einen Kuss darauf. »Ich hoffe, ich habe das Vergnügen, mit Madame Ahnzhelyk persönlich zu sprechen?«, erkundigte er sich dann.
»Sehr wohl, Sir«, bestätigte sie. »Und Sie sind?«
»Ahbraim Zhevons.« Er deutete eine Verneigung an, und Ahnzhelyk nickte. Desnairianischer Akzent, dachte sie, nicht sonderlich auffällig, aber doch unverkennbar.
»Sind Sie zu Besuch in unserer schönen Stadt, Meister Zhevons?«
»Bitte, nennen Sie mich doch Ahbraim!« Das charmante Lächeln, bei dem auffallend weiße Zähne aufblitzten, spiegelte sich auch in den nussbraunen Augen wider. »Und, ja, ich bin tatsächlich zu Besuch hier. Hat mich mein Akzent verraten? Klinge ich zu ländlich?«
»Ach, wohl kaum ›ländlich‹ ... Ahbraim!« Ihr glockenhelles Lachen war ebenso bezaubernd wie der ganze Rest von ihr. »Aber ich habe tatsächlich die Spur eines Akzents erkannt. Desnairia?«
»Fast.« Sein Lächeln hatte jetzt etwas Schelmisches. »Eigentlich Silkiah.«
»Ach, vergeben Sie mir!« Dieses Mal lachte sie etwas lauter. Viele Bürger der Großherzogtums Silkiah schätzten es nicht sonderlich, für Desnairianer gehalten zu werden.
»Da gibt es nichts, was man Ihnen vergeben müsste«, versicherte er ihr. »Und wäre es anders, so wäre es mir eine Freude, einer so charmanten Person wie Ihnen diesen Gefallen zu tun.«
»Welche Frau hörte nicht gern ein solches Kompliment von einem Meister des Charmes?«, erwiderte sie.
»Das über mich zu hören, wäre zumindest meinen Eltern eine Freude.«
»Darf ich fragen, was Sie um diese Jahreszeit nach Zion führt?« Ahnzhelyk verzog ein wenig das Gesicht. »Auch wenn ich natürlich niemals das Urteil der Erzengel würde in Abrede stellen wollen, wundere ich mich doch so manches Mal über die Beweggründe, den Tempel an einem Ort von solch winterlichem Klima zu
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