Die Eiserne Festung - 7
Zeit im Palast. Da sind sie von einer Unzahl von Gardisten umringt, weshalb sie ja auch auf meinen Schutz verzichten und mich zusammen mit Euch nach Corisande schicken können. Diese Gelegenheit nutzt der Seijin für besagte spirituelle Einkehrtage.«
»Ja, so könnte es gehen«, stimmte Staynair bedächtig und mit nachdenklicher Miene zu.
»Das Problem ist, dass wir Cayleb und Sharleyan davon überzeugen müssen, bei all dem mitzuspielen.« Merlins Mundwinkel zuckten; es war halb ein Grinsen, halb eine Grimasse. »Sicher werden die beiden von meinem Abstecher nicht sonderlich entzückt sein. Andererseits möchte ich, dass sie über alles informiert sind, was ich tue. Sie sollen und müssen auf dem Laufenden gehalten werden. Wir hatten gerade über genau dieses Thema ein kleines ... öhm ... Gespräch.« Einen Moment lang erhellte ein echtes Grinsen sein Gesicht. »Aber ich kann ihnen unmöglich erzählen, wohin ich aufbrechen möchte oder warum, ohne ihnen von Ahnzhelyk zu erzählen, Eure Eminenz. Und das kann ich nicht tun, wenn ich damit vertrauliche Informationen weitergebe und das Beichtgeheimnis verletze.«
»Ich verstehe«, wiederholte Staynair.
Fast zwei Minuten lang saß er da und dachte angestrengt nach. Schließlich suchte er Merlins Blick.
»Das ist eine wirklich unangenehme Situation«, sagte er. »Zunächst einmal wisst Ihr ja bereits, welche Informationen mir unter dem Schutz des Beichtgeheimnisses anvertraut wurden. Streng genommen bedeutet das, dass Ihr nicht auf meine Erlaubnis angewiesen seid, um diese Informationen an Cayleb und Sharleyan weiterzugeben - wir reden hier von Informationen, die Ihr erhalten habt, ohne dass Ihr wissentlich und willentlich das Beichtgeheimnis verletzt hättet. Außerdem seid Ihr noch nicht einmal ein Kirchenmann, also ist das Beichtgeheimnis für Euch ohnehin nicht bindend. Aber Ihr und ich, wir wissen beide, dass das natürlich ein rein legalistisches Argument ist.«
Schweigend nickte Merlin. Staynair atmete tief durch.
»Als Erzbischof steht es mir zu, unter bestimmten, genau umrissenen Bedingungen, das Beichtgeheimnis aufzuheben. Die Kirche des Verheißenen kennt dafür zahlreiche Gründe - meistens um jemanden möglichst rasch an die Inquisition weitergeben zu können. Aber selbst Langhornes Kirche erkennt an, dass es Situationen gibt, in denen die unmittelbare Gefährdung anderer berücksichtigt werden muss. Und das trifft in diesem Falle ja nun zweifelsohne zu! Bedauerlicherweise habe ich keinerlei Möglichkeit, mich mit Adorai zu beraten und ihre Erlaubnis einzuholen, zumindest nicht rasch genug, und Eile scheint ja nun geboten. Gleichzeitig aber besteht unmittelbare Bedrohung für Madame Ahnzhelyk und ihre Schutzbefohlenen. Wäre dem nicht so, dann würde ich über das Ganze keine Sekunde nachzudenken haben, versteht Ihr?«
Merlin nickte lediglich ein weiteres Mal, und Staynair seufzte.
»Also gut, Merlin. Dann unterstütze ich Euch und Euren Plan vor Ihren Majestäten - was bleibt mir anderes übrig!«
.XIV.
Madame Ahnzhelyk Phondas Stadtvilla, Stadt Zion, die Tempel-Lande
Leise Musik erfüllte den luxuriös eingerichteten Salon. Männer in kostbarer Kleidung füllten ihn, die meisten in Soutanen aus Baumwollseide oder Stahldistelseide, mehrere davon im Orange der Vikare. Sie hatten auf den Polstermöbeln Platz genommen oder ergingen sich im Salon, in der Hand Weingläser oder Brandy-Schwenker. Madame Ahnzhelyks Etablissement lief immer gut. Aber nie war es besser als während der Wintermonate, wenn die Bürger von Zion sich unweigerlich eher Beschäftigungen suchten, die im Hause stattfanden. Junge Frauen, die Teints von blass bis dunkel und alle von auffälliger Schönheit, leisteten den Gästen Gesellschaft. Sie schwatzten munter und lachten viel. Alle waren sie geschmackvoll gekleidet, die meisten äußerst dezent geschminkt. Es wäre kaum möglich gewesen, sich Prostituierte vorzustellen, die dem Klischee noch weniger entsprochen hätten.
Genau deswegen war Madame Ahnzhelyk schon immer so erfolgreich gewesen.
Unter ihren Damen gab es keine, die sich vulgär gebärdete! Es fanden keine banalen, plumpen oder gar rüden Gespräche statt. Keine anspruchslosen Witze. Die Kurtisanen aus Madame Ahnzhelyks Salon waren allesamt intelligent, lebhaft, gebildet. Stets hielt man sie an, viel zu lesen, sich über die neuesten Entwicklungen der politischen Lage zu informieren, in der Lage zu sein, über jedes nur erdenkliche Thema geistreich und taktvoll
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