Die Eiserne Festung - 7
Toppbeschlägen. Hätten die Bramstengen für eine gewisse Zeit niedergeholt bleiben sollen, dann hätte man die Stage normalerweise zur besseren Kontrolle noch durch besondere Laschungen gesichert. Heute Nachmittag aber wollte sich niemand mit solchen Feinheiten aufhalten. Es hätte einfach keinen Sinn gehabt. Denn alle an Bord wussten, dass ihnen das Vergnügen bevorstand, das ganze Manöver noch mindestens dreimal zu wiederholen, ehe dieser Tag endlich ein Ende hätte.
»Alle Mann zurück an Deck!«
Dieses Kommando holte sämtliche Toppsgasten wieder nach unten. Zuvor war eine kräftige Leine durch die Öffnung im Mastfuß geführt und um die Marsstenge herum befestigt worden, um die Bramstenge an ihrem Platz zu halten. Jetzt, da Mars- und Bramstengen zusammengeflanscht waren, sah das Schiff aus, als hätte man es geköpft. Aber durch die niedergeholte und sicher verstaute Bramstenge reduzierte sich die Höhe der gesamten Takelage um fast ein Drittel. Dadurch wurde zum einen in der Höhe der Windwiderstand reduziert, zum anderen war damit der Schwerpunkt der Takelage insgesamt nach unten verlagert. Das mochte zweifellos den schmalen Grat ausmachen, der zwischen Uberleben und Untergang in den Klauen eines Wintersturmes entschied.
Das letzte Tau war gefiert, die letzte Leine gesichert, und alle an Deck warteten gespannt ab, während der Captain und der Admiral das Werk betrachteten. Einen Moment lang herrschte völlige Stille an Deck. Nur das Rauschen von Wind und Wellen war zu hören, die Pfiffe der Wyvern und die Schreie der Möwen. Dann blickte Graf Thirsk Raisahndo an und nickte mit ernster Miene.
Niemand war töricht genug, in lauten Jubel auszubrechen, als der Admiral auf diese Weise seiner Befriedigung Ausdruck verlieh. Selbst die Männer, die man zum Dienst gepresst hatte, waren mittlerweile lange genug an Bord, das zu wissen. Aber hier und da war ein breites Grinsen zu sehen, geboren aus Erleichterung (niemand hatte auch nur darüber nachdenken wollen, wie der Captain reagierte, wenn seine Mannschaft ihn vor dem Admiral blamiert hätte) und Stolz - dem Wissen, dass alles gut gewesen war. Ein solches Manöver im Hafen war natürlich ein Kinderspiel im Vergleich dazu, dergleichen auf hoher See zu vollbringen, im Dunkeln, auf einem Schiff, das rollte und stampfte. Die meisten von ihnen wussten das - einige, nämlich die relativ kleine Anzahl erfahrener Matrosen, die unter ihnen war, sogar aus eigener unschöner Erfahrung. Doch sie wussten auch, dass sie ein Manöver wie dieses früher oder später würden durchführen müssen. Keiner von ihnen war erfreut darüber, nur um des Schwitzens willen ins Schwitzen zu geraten. Aber die überwiegende Mehrheit zog es wirklich vor, hier in der Sicherheit des Hafens die erforderlichen Kenntnisse zu erwerben, als sie auf den letzten Drücker meistern zu müssen, in einem Notfall auf hoher See, wenn es möglicherweise um Leben und Tod ging.
In mancherlei Hinsicht war das eine ungewöhnliche Einstellung, vor allem für Besatzungen, zu der derart viele unerfahrene Landratten gehörten. Wenn Presspatrouillen angehende Matrosen aus ihren gemütlichen Heimstätten entführten - fort von Frauen und Kindern, die doch von ihnen abhängig waren -, neigten besagte Matrosen dazu, diesen Umstand zu missbilligen. Angesichts der Gefahren, die während einer Schlacht drohten, ganz zu schweigen von Krankheiten oder Unfällen, standen die Chancen nicht gerade überwältigend gut, Frauen und Kinder jemals wiederzusehen. Das allein reichte schon aus, um jedem Familienvater das Herz zu brechen. Dazu kam noch, dass niemand wusste, ob die Familien ohne ihren Ernährer überhaupt würden überleben können: Fast allen drohte ein Dasein in Elend und Hunger. Unter diesen Umständen war es kaum überraschend, dass man alle zum Zwangsdienst einberufenen Männer immens antreiben musste, damit sie ihre Aufgaben erfüllten - oft mit sorgfältig berechneter Grausamkeit. Irgendwann mussten sie eine Mannschaft bilden, auf die man sich verlassen konnte. Hin und wieder misslang das gänzlich. Selbst denjenigen, die letztendlich ihren Platz an Bord fanden, mangelte es immer noch an Erfahrung - bislang zumindest - zu begreifen, warum unnachgiebige Ausbildung so wichtig war. Wichtig auch für sie selbst, nicht nur für die anspruchsvollen, tyrannischen Offiziere und die unerbittlichen Bootsmänner. Normalerweise war niemand erfreut, an einem eisig kalten Nachmittag die Wanten hinauf- und
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