Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
ihrer Schulter. »Ja. Und aus demselben Grund. Aber sie wollte ihn loswerden, und Sie … Sie sind zu mir gekommen.«
Mina wollte nicht darüber nachdenken. »Sie und Scarsdale haben das schon vorher getan?«
»Sie haben ein Arrangement, von dem beide profitieren.«
»Wegen dem, was sie verstecken müssen?«
»Sie sind die Inspektorin. Sie müssen hinter ihre Geheimnisse kommen. Ich werde es Ihnen nicht erzählen.«
Sie schüttelte lachend den Kopf. Sie spürte sein Lächeln an ihrem Hals und seine Handflächen, die über ihren Bauch glitten. Verwirrt blickte sie nach unten. Zu ihrem Schrecken waren die Schnallen ihrer kurzen Jacke bis zu ihren Brüsten geöffnet worden und bildeten ein umgekehrtes V, das er langsam vergrößerte.
Sie machte ein leises Geräusch, und seine Hände legten sich flach auf ihren Körper, drückten sie gegen ihn. Hitze schoss ihr zwischen die Beine, ihr Atem ging stoßweise.
»Mina.« Seine tiefe Stimme machte aus ihrem Namen einen Befehl.
»Nein.« Sie zitterte. »Ich habe Euch nicht die Erlaubnis gegeben, meinen Namen zu benutzen.«
»So wie Sie nicht auf die Erlaubnis von Hale gewartet haben, um den Kanal zu überqueren? Kümmert Sie eine Erlaubnis nur, wenn Sie Ihnen in den Kram passt? Nein, Mina.« Er schüttelte den Kopf. Seine Finger strichen über die rote Binde an ihrem Ärmel. »Lügen Sie, wenn Sie sich selbst schützen wollen. Aber seien Sie nicht heuchlerisch. Ich kann Heuchler nicht leiden.«
Dann sollte sie eine Liste all ihrer Heucheleien anfertigen. Doch die Finger auf ihrem Arm trafen sie in ihrem Stolz. »Glaubt Ihr, dass diese Binde eine Lüge ist?«
»Ich war während der Revolution in London. Ich habe gesehen, was mit den Leuten der Horde auf der Straße passiert ist. Wenn Sie da draußen gewesen wären, um zu kämpfen, dann hätte es keinen gekümmert, wer Ihre Eltern sind. Sie wären tot.«
Ja. Das stimmte. Und er musste etwas mit angesehen haben, worüber in England nicht mehr gesprochen wurde: die Morde und Vergewaltigungen, die nichts mit der Horde zu tun hatten, und die unkontrollierten Gefühle der Bugger, nachdem sie befreit worden waren. Ein paar Tage lang waren sie nicht besser als Tiere gewesen. Und es gab eine kollektive Scham. Die meisten Leute außerhalb Englands wussten das nicht. Die Revolution musste etwas sein, worauf man stolz sein konnte, doch nicht alles, was in dieser Zeit geschehen war, gab Anlass dazu.
Er war plötzlich angespannt. »Sie waren nicht da draußen, oder?«
»Nein. Mein Vater hat mich im Arbeitsraum meiner Mutter unterm Dach eingesperrt.«
»Was ist passiert?«
Sie hatten nicht darüber gesprochen. Allerdings kamen die Worte nach und nach. »Ich hörte meine Mutter schreien. Ich hörte einen Schuss. Also nahm ich eine Ahle, um das Schloss zu knacken.«
Und sie hatte sie noch immer in der Hand, als sie die Treppen hinunterrannte. Die Stadt draußen war in Aufruhr und brannte, und ihre eigene Panik hatte sie sogar noch mehr erschreckt. Diese Panik hatte sich wie von selbst verstärkt, bis sie sie völlig beherrschte.
Jetzt kam es ihr wie ein Traum vor. Sie konnte sich daran erinnern, dass sie Angst gehabt hatte. Aber sie konnte nicht verstehen, wie groß diese Angst gewesen war. Seitdem hatte sie niemals wieder etwas Ähnliches gefühlt.
»Es waren Brüder«, sagte sie. »Sie hatten ein paar Jahre im Eckhaus am Platz gewohnt. Sie hatten sich um mich bemüht. Nicht, um mich zu heiraten, sondern um mich als Konkubine zu bekommen, doch mein Vater hatte abgelehnt. Doch an diesem Abend hatten sie ein Luftschiff und wollten fliehen, weil die gesamte Horde getötet wurde … und ich dachte, sie kämen, um mich zu retten. Um mich irgendwohin mitzunehmen, wo ich vielleicht sicher gewesen wäre.«
Trahaearns Arme schlossen sich fester um sie. Sie atmete tief durch.
»Also, sie kamen mich holen. Sie hatten auf Henry geschossen und ihn verletzt. Und meine Mutter, da war diese Orgie gewesen, und sie und mein Vater … sie war schwanger. Doch sie war gestolpert oder einer von ihnen hatte sie gestoßen, und da war Blut, und mein Vater versuchte, ihr und Henry zu helfen, und Andrew schrie und versuchte, sie abzuwehren. Dann kam ich die Treppe herunter, und die beiden Brüder versuchten, mich aus dem Haus zu zerren, mich von meiner Familie zu trennen. Ich habe nicht überlegt. Ich hatte noch immer die Ahle in der Hand. Also habe ich … zugestoßen. Immer und immer wieder, bis sie mich gehen ließen.«
Selbst jetzt noch
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