Die eiskalte Jahreszeit der Liebe
aufgehört, um ins große Geschäft einzusteigen«, sagte ich.
»Sie sind alle im Geschäft«, erwiderte Steve, »aber sie hören nie auf, im Geheimdienst zu sein. Es gibt keine Ex- KGB -Leute, genau wie es der Präsident immer sagt.«
Ich fragte ihn, ob er irgendwas über das geplante Ölterminal im Norden wisse, das wir mit einem Kredit finanzierten. Unser Vorhaben schien reibungslos zu laufen: Der Kosake sollte bald seine erste Finanztranche erhalten. Die Banken, die ihm das nötige Geld liehen, hatten ein Cashflow-Modell sowie eine Machbarkeitsstudie für das Projekt erstellt, ausgearbeitet von der üblichen Schar Fachberater, dazu kamen von uns an die hundert Seiten mit Verzichtsklauseln und Haftungsfreistellungen. Der Form halber suchten wir um Garantien für die Zusammenarbeit beim Gouverneur der Region nach, in der das Terminal gebaut wurde, bei Narodneft hinsichtlich der Ölmenge, die nach Fertigstellung durchgepumpt werden sollte, und beim Kosaken bezüglich der Kapitalbeträge, die für Rückzahlungen auf einem Treuhandkonto bereitgestellt werden sollten. All dies, hatte man uns versichert, sei in die Wege geleitet worden. Und auf dem Baugelände laufe alles nach Plan, so der Kosak: Er gehe davon aus, dass zu Beginn des nächsten Sommers das erste Öl vom Terminal in die Tanker gepumpt werde. Zur einzigen Verzögerung war es bislang gekommen, als Wjatscheslaw Alexandrowitsch, der Inspektor, sich die Anlage ansehen wollte und ihm von Seiten des Kosaken mitgeteilt wurde, es hätte einen kleinen Brand gegeben, weshalb er seinen Besuch lieber um einige Wochen verschieben sollte.
»Klingt plausibel«, sagte Steve. »Die Russen haben ihre Pipeline-Kapazitäten mehr oder weniger erschöpft, weshalb sie dringend neue Exportwege suchen. Noch in seinem letzten Fernsehtelefonat hat sich der Präsident dazu geäußert: ›Für Russlands Wirtschaft bedeutet dies eine große Herausforderung, weshalb wir jede Hilfe und Investition seitens unserer ausländischen Partner begrüßen‹, das übliche Blabla. Off-Shore-Öl ist angeblich die neue große Sache. Kann man auf den europäischen Markt bringen, ohne dass man sich auf die bolschewistischen Nachbarn verlassen muss, mit denen sich die Russkis sowieso ständig in den Haaren liegen. Irgendwo haben sie eine eisfreie Bucht – ich glaube, im Golfstrombereich –, und die wird dafür genutzt. Wer sind die Partner?«
Nur die Logistikfirmen und Narodneft, antwortete ich.
»Interessant. Hör zu, ich gehe davon aus, dass eure Banken okay sind. Die Russen haben das Öl; sie müssen es verkaufen und kennen die Regeln: Die eigenen Leute können sie abzocken, solange sie nett zu den Ausländern sind. Aber irgendwas steckt immer für sie drin, Nick. Ich vermute, sobald sie Profit machen, benutzen sie das Logistikgeschäft, um was von den Einnahmen für sich abzuschöpfen, damit Narodneft den ganzen Gewinn nicht mit der Allgemeinheit teilen muss. Du weißt, was der Name Narodneft bedeutet?«
»Sicher.«
»›Volksöl‹. Blöder Witz.«
Steve war einmal vom Amt für Auswärtige Angelegenheiten einbestellt worden, um sich anschreien zu lassen, weil er ohne schriftliche Erlaubnis nach Tschetschenien gefahren war und dort für seine Zeitungen Gespräche mit selbsterklärten russischen Kriegsverbrechern aufgezeichnet hatte. Das Ministerium drohte damit, ihm das Visum zu entziehen, und die Gerüchteküche wollte, er habe zurückgeschrien, sollten sie doch, sollten sie ihn doch rauswerfen, wäre ihm eine große Freude. Falls dies wirklich passiert war, hatte er geblufft, denn wie alle Journalisten, die ich je in Moskau kennenlernte, hatte Steve sich in Russland verliebt. Hier gab es so viele Nobelrestaurants mit importiertem Bier, wie er sich nur wünschen konnte, und doch hatten sich genügend schlechte Angewohnheiten der alten Schule bewahrt, um jeden Schreiberling mit Kolumnenmaterial zu versorgen und auf dieser Seite der Welt zu halten, fern von dem, wovor man floh. Die meisten, Steve ganz besonders, kaschierten ihre Liebe mit einer Art moralischem Machismo. Es war, als fühlte er sich geradezu vertraglich verpflichtet, in allem und jedem das Schlimmste zu sehen – oder zumindest doch so zu tun. Degeneriert, wie er war, konnte er manchmal ein ziemlich frömmlerisches Arschloch sein.
»Ich bin mir nicht sicher, Steve«, sagte ich. »Du weißt doch, dass eine solche Vorgehensweise für die großen Ölgesellschaften üblich ist: Für neue Investitionen gründet man eine
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