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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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Minuten später meint sie es genauso ernst, wenn sie dir die Kreditkarte klaut. Sie meinen es immer ernst.«
    »Bist du schon mal verliebt gewesen, Steve?«
    »Weißt du was, Nick? Du solltest deine moralischen Grundsätze vergessen. Sonst bist du erledigt.«
    Ich wechselte das Thema und beschloss, Steve zu fragen, ob er mir nicht helfen könne, den Freund meines Nachbarn Oleg Nikolaewitsch zu finden. Wie versprochen war ich bei der Polizei gewesen, konnte aber nichts erreichen. Mascha hatte mich begleitet: Oleg Nikolaewitsch dagegen entschuldigte sich im letzten Moment damit, eine dringende Verabredung zu haben und deshalb nicht kommen zu können, doch glaube ich, dass ihn letztlich eine tiefsitzende Furcht vor Uniformen abgehalten hat. Der picklige, spätpubertäre Beamte, mit dem wir redeten, trug Jeans und hörte Gangsta-Rap. Über seinem Tisch hing ein Schild mit der Aufschrift: ›Blumen oder Schokolade kann ich nicht trinken‹, daneben waren Schwarzweißporträts von Russlands verschlagenem Präsidenten und von Erwin Rommel zu sehen. Der Beamte musterte uns mit diesem besonderen Blick, den offenbar nicht nur Russlands Frauen, sondern auch einige russische Männer in ihrem Repertoire haben – die kommerzielle Version einer Anmache, eine Art ›Gib-mir-Cash‹-Lächeln. »Er will Geld«, flüsterte Mascha auf Englisch. Ich weigerte mich, und der Beamte sagte, da es keinen konkreten Hinweis auf ein Verbrechen gebe, könne er nichts machen. Als wir gingen, fügte er noch hinzu, falls ich es einmal eilig hätte, zu einem wichtigen Termin oder zum Flughafen zu kommen, könne er mir eine Motorradeskorte besorgen. (»Na ja«, sagte Oleg Nikolaewitsch, als ich ihm erzählte, wie es uns auf dem Polizeirevier ergangen war, »solange wir leben, besteht die Möglichkeit, dass wir eines Tages glücklich sind.«)
    Ich dachte, Steve würde vielleicht einen freundlichen Polizisten kennen, einen umgänglichen Agenten oder Einbrecher, jemanden, der einige Nachforschungen anstellen, ein paar Erinnerungen wecken oder ein schlechtes Gewissen provozieren konnte.
    Steve sagte, es täte ihm leid, aber die ihm bekannten Polizisten seien keine von der Sorte. Und er riet mir, meine Zeit nicht zu vergeuden, Konstantin Andrejewitsch sei vermutlich tot – bestimmt in den Fluss gefallen oder unters Auto gekommen, oder er hatte den falschen Fusel gesoffen und war im Wald einfach umgekippt.
    »Lass sie nicht zu nah an dich heran«, riet ihm Steve. »Die meisten werden kaum sechzig. Bleib nur lang genug hier, und um dich herum sterben die Leute. Kennst du zwei Russen über sechzig, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass einer von denen bald ins Gras beißt. Vor allem die Männer. Die saufen sich zu Tode, noch ehe sie ihre Rente kriegen. Wenn du dich in der Metro langweilst, versuch’s mal mit folgendem Spiel: Zähle alte Männer. Die russische Version von
I Spy

    »Noch irgendeine Idee, Steve? Ich meine, wie ich Oleg Nikolaewitsch helfen kann, seinen Freund zu finden? Im Ernst, mein Nachbar ist ein netter alter Kerl. Hat aber kein Geld und kein
krischa
, gar nichts. Ich fürchte, ich bin seine beste Hoffnung.«
    »Wir sind in Russland«, erwiderte Steve. »Bete.«
    Ich gab es auf und fragte ihn stattdessen, ob er etwas über meinen neuen Kunden wisse, den Kosaken. Ihn fand er viel interessanter.
    »Kleiner Typ?«, fragte Steve. »Helle Augen, schleimiger Blick?«
    Ja, sagte ich, ganz genau.
    »Das ist kein Ölspezialist«, sagte Steve. »Der arbeitet für den FSB .« Falls dir die Initialen nichts sagen, der FSB ist die Neuausgabe des KGB , nur ohne Kommunismus und ohne Regeln. »Man erzählt sich, er sei Anfang der Neunziger irgendwo im Ural wegen Mordes verurteilt worden. Der FSB hat ihn aus dem Gefängnis geholt, aufgenommen und nach Fernost geschickt, um dort bei Wilddiebereien zu helfen. Ich habe ihn selbst nie kennengelernt, war aber einmal auf der Insel Sachalin in einer Bar, als mich ein schottischer Hubschrauberpilot auf ihn aufmerksam machte. Ich meine, mich zu erinnern, dass der Pilot gesagt hätte, dieser Mann sei in Kamtschatka in den Kaviarschmuggel verwickelt gewesen, bis er zum Lachs versetzt wurde. Man hat ihn sogar für den Posten des stellvertretenden Inselgouverneurs aufgestellt, dann aber woandershin verschifft. Wahrscheinlich hat er sich in Sachen Fisch so gut gemacht, dass er ins Ölteam befördert wurde. Straftaten, Business, Politik, Spionage – das typisch russische Karussell.«
    »Vielleicht hat er beim FSB

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