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Die Eisläuferin

Die Eisläuferin

Titel: Die Eisläuferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Münk
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hatte das Abendessen unter freiem Himmel gestrichen.
    Die Pfirsiche rochen bis ins Wageninnere und machten sie noch trauriger, als sie ohnehin schon war. Sie würde Dimitrij verlieren und mit ihm die Aussicht auf nachhaltige Genesung. Für den Moment wusste sie noch nicht einmal, was schlimmer war.
     
    Da sie nie sicher sein konnte, welche Art von Realität ihr am nächsten Tag wieder serviert wurde, war sie dazu übergegangen, noch ein paar Abendsätze in die Videokamera zu sagen. Sie tat es meistens vor dem »Nächtlichen Fischfang in Antibes«. An diesen kleinen Picasso-Druck im Arbeitszimmer hatte sie Erinnerungen, die, so vermutete sie, zeitlich sehr kurz vor denen lagen, die ihr abhanden gekommen waren. Sie hatte zudem beim späteren Betrachten der Filme festgestellt, dass so ein Gemälde im Hintergrund ein probates |186| Mittel darstellte, um dem Auge in Momenten größter Langeweile oder größten Schreckens einen Fluchtpunkt zu bieten, etwas, in das man schauen konnte, wenn man es mit dem Gesicht davor nicht mehr aushielt. An diesem Abend jedoch setzte sie sich an den Küchentisch und stellte die Schneekugel vor sich, bevor sie anfing zu sprechen. Das war mein Tag. Es war wie Yoga im Kopf, würde länger dauern dieses Mal, denn man konnte nicht behaupten, dass die Palette vorhandener Gefühle klein gewesen wäre.
     
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Er ging ran, so wie Männer ans Telefon gehen, deren Frauen gerade Yoga betreiben.
    Es war der Regierungssprecher. »Guten Abend. Wie geht es Ihnen?«
    Was war das für eine Frage, und die Antwort darauf wollte man bestimmt nicht gerade dem Regierungssprecher anvertrauen. Die Kategorien »gut« oder »schlecht« waren zu einfach, hätten nicht auf das gepasst, was er gerade fühlte. Und »Geht so« oder »Muss ja« hätte er nie über die Lippen gebracht. Er spielte den Ball zurück: »Das frage ich Sie.«
    »Schlecht, ganz schlecht. Wissen Sie, wir sind gerade dabei, die morgigen Eskalationsstufen durchzuspielen. Momentan gehen wir von Stufe 3 aus. Ich werde morgen den Redaktionen die Regierungssicht erklären, eine andere, gefahrlose Linie ins Spiel bringen, vielleicht mit einem exklusiven Zitat Ihrer Gattin, bevor wir dann zu anderen Themen überleiten. Wir wollen den Ball flach halten.«
    Er verstand nicht recht, sah weder das Problem noch den eigentlichen Grund des abendlichen Anrufes: »Hören Sie, meine Frau macht gerade ihre Videoaufnahme für morgen früh. Da möchte ich sie nicht stören.«
    Der Regierungssprecher eskalierte stufenlos: »O Gott, |187| das müssen Sie sich heute Abend noch angucken, checken, schneiden!«
    »Das werde ich nicht. Ich kann meiner Frau ihre Erinnerungen nicht einfach so wegnehmen!«
    »Hören Sie, wir haben uns die Fotos von der Polizeikontrolle noch einmal angeschaut. Ihre Gattin ist zwar, wie soll ich sagen, eine sehr singuläre Erscheinung, aber rein optisch könnte es auch irgendjemand anderes sein. Wir könnten das regeln mit der Polizei, Datenschutz, Sie verstehen, und sie war ja nur Beifahrerin.«
    Das war naiv und mutig zugleich, fand er. Doch er verstand natürlich: »Sie wollen leugnen, dass sie es war?«
    »Bingo! Wir richten damit keinen Schaden an, das tangiert weder die Arbeit Ihrer Frau noch das nationale Wohlbefinden. Wir stärken einfach ein wenig, wie soll ich sagen, ihr Distanzierungspotential?«
    Dem Regierungssprecher schien tatsächlich nicht klar zu sein, welche Fortschritte sie immerhin schon gemacht hatte und welche Hoffnungen und Risiken zugleich damit verbunden waren, denn er fügte hinzu: »Viele Dinge werden nicht gerade besser, wenn man sich an sie erinnert. Sehen Sie, die wahre Kunst liegt in der Reduktion, manchmal gar im Weglassen. Auch das ist verantwortungsvolles Handeln.«
    »Weglassen? Und wenn sie sich morgen an die Motorradfahrt und die Kontrolle erinnert?«
    »Kommen Sie, warum sollte sie sich ausgerechnet jetzt an so etwas erinnern, wenn ihr ganze Regierungsprogramme abhanden gekommen sind, wenn ihr der Koalitionspartner jeden Tag neu vorgestellt werden muss. Ich bitte Sie, mit Verlaub.«
    »Ich kann das nicht. Das hat was von Betrug.« In ihm sträubte sich alles. Sicher, er wollte helfen, unterstützen, vielleicht sogar den Therapeuten ersetzen, aber doch nicht |188| das. Sie würde es ihm verübeln, tief enttäuscht von ihm sein.
    »Kommen Sie, sie wird es nie erfahren. Wir müssen verhindern, dass die Sache Fahrt aufnimmt, solange wir intern noch nicht bereit sind. Sie

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