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Die Eisläuferin

Die Eisläuferin

Titel: Die Eisläuferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Münk
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Reiz-Reaktionsverbindung wie beim Pawlowschen Hund?
    Trotzdem hätte sie jetzt gern einen Blick in den Himmel getan, aber mit diesem sperrigen Helm ging es nicht. Stattdessen starrte sie auf Dimitrijs Rücken. Wieso, fragte sie sich schließlich, sollte die gesamte Glücksenergie dieses Planeten auch immer von anderen Leuten aufgebraucht werden? Sie konnte ja auch mal etwas riskieren. So. Er fuhr rechts um die Kurve, und sie lehnte sich weit nach links hinaus.
    Der Motor heulte leicht auf, als Dimitrij den Gang hochschaltete. |178| Und dann kam wieder eine Ampel, er wurde schneller, fuhr noch bei Gelb daran vorbei, aber bei ihr war es dann doch schon rot. Kurz darauf tippte sie ihm auf die Schulter und rief: »Es kann nicht mehr weit sein! Wir werden schon eskortiert.«
    Es war keine Eskorte, es war die Straßenverkehrspolizei, die an ihnen mit herausgehaltener Kelle vorbeifuhr.
     
    Er schloss die Wohnungstür hinter sich, wollte jetzt nur noch raus. Der Rest würde sich dann schon ergeben, er musste an Clint Eastwood denken. Im Institut war viel Arbeit liegen geblieben, und genau auf die würde er sich jetzt konzentrieren. Er hatte ihr einen Zettel geschrieben, »Bin im Institut«, und hatte darüber lachen müssen. Wo sonst hätte er denn hin sollen? Niemand schrieb morgens auf einen Zettel »Bin zur Arbeit«, bevor er oder sie das Haus verließ. Aber er tat es, obwohl seine Frau nicht mehr lesen konnte. Vielleicht würde sich ja beim optischen Gesamteindruck des Wortes »Institut« etwas in ihr regen.
     
    Dimitrij verlangsamte das Tempo und fuhr rechts heran.
    Ein junger Polizist stieg aus seinem Fahrzeug und näherte sich ihnen, sagte, er wolle die Fahrzeugpapiere sehen. Dimitrij öffnete seine Lederjacke, griff in die Innentasche. Die Schneekugel saß im Weg. Er nahm sie und gab sie dem Polizisten. »Wenn Sie die freundlicherweise kurz halten könnten.« Er bekam die Papiere zu fassen und reichte sie ihm ebenfalls.
    Der Beamte betrachtete indes Brueghels »Jäger im Schnee« in 3D unter der kleinen Kunstglashaube und schien sich nicht sicher zu sein, ob eine Schneekugel um zwölf Uhr mittags Anlass gab zur Vermutung von Alkoholkonsum oder genau das Gegenteil erwarten ließ. Er schüttelte sie |179| gedankenverloren, besann sich dann aber, ein wenig peinlich berührt. Also nun die Papiere. Er gab die Kugel zurück, nahm die Dokumente, und noch während er sie prüfte, ließ er verlauten, dass mit Führerscheinentzug für einen Monat, einer Geldbuße und vier Punkten zu rechnen sei.
    Dimitrij bemerkte, er habe gar kein Konto in Deutschland, weder für Punkte noch für Geld.
    Daran solle es nicht scheitern, war die Antwort. Die anschließende Alkoholprobe fiel negativ aus. Der Beamte machte seine Notizen und reichte die Papiere zurück. Sein Blick ging zu ihr. »Ihre Motorradbraut hat ihren Helm nicht richtig auf.« Und direkt zu ihr gewandt: »Ihnen ist schon bewusst, welcher Gefahr Sie sich damit aussetzen und welche Konsequenzen das haben kann? Festhalten alleine reicht nicht.«
    Nun konnte sie sich doch nicht mehr länger zurücknehmen, schließlich hatte sie ja auf die Zeit gedrängt, um Tempo, Tempo gebeten, und schlussendlich erfüllte diese ganze Unternehmung ja einen höheren Zweck, den der doch etwas forsche Beamte da vor ihr noch nicht einmal ansatzweise erahnen konnte. Sie sah auch in der ganzen Situation keine ansehensmindernden Elemente von erheblichem Gewicht. Im Gegenteil, es hatte etwas Gewöhnliches. Rote Ampeln waren nicht das Problem. Es wurde etwas schwieriger, wenn man über sie hinwegfuhr und dabei auch noch beobachtet wurde. Aber auch das war noch weit weg von dem, was sie unter einem Problem verstand. So war es schon ganz anderen Beifahrern ergangen. Sie nahm erst die Brille, dann den Helm ab und fuhr sich durchs Haar.
    Dimitrij konnte nicht mehr tun, als hilflos von einem zum anderen zu schauen.
    Und die Zeit schien plötzlich stillzustehen. Der Beamte guckte, sagte kein Wort, gab keine Regung von sich.
    |180| Sie sah ihm fest in die Augen: »Ja, herrje, ich bin es. Wir hatten es ein wenig eilig. Es tut mir leid. Es ist meine Schuld.«
    Sein Blick ging weg von ihr, hastig, unsicher, hilfesuchend, in die Umgebung.
    Diese Augenblicke hasste sie. Er schien Ausschau zu halten nach Sicherheitspersonal, Eskorte, Kameras, Unterstützung zu Land und in der Luft. Doch es gab nur hochgehaltene Handys von Passanten, die die Delinquentin bereits erkannt hatten.
    Der Polizist fand seine Sprache

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