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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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Höhlenseite noch eine Öffnung gab? Grove atmete tief durch und schlüpfte ins Dunkel.
     
     
    Feuchtigkeit schlug ihm entgegen und hüllte ihn in modrige Kälte. Das grabestiefe Schnarchen schwoll an – das Lärmen eines riesigen Blasebalgs. Grove duckte sich und krauchte zentimeterweise seitwärts durch die Dunkelheit, den Revolver im Anschlag.
    Vor der Höhle blitzte es, nur ganz kurz, aber das Licht reichte, um die Tiefe des Raums ahnen zu lassen. Er war tief, unglaublich tief, und die entfernte Mauer schien in bodenloser Finsternis zu verschwinden. Die Höhle war ungefähr drei Meter breit, voller Kalksteinstalaktiten, die von der Decke hingen, und mit Wänden, die von Schleim und Guano trieften. Ein faulendes Steinverlies, in dem die versteinerten Überreste eiserner Schienen, oxydiert und schon lange zu kleinen Brocken zerbröselt, in den bemoosten Boden gebettet lagen.
    Grove erinnerte sich vage, von Minenschächten gehört zu haben, die man im pazifischen Nordwesten in die Berge getrieben hatte. Er konnte sich jedoch nicht entsinnen, ob sie an beiden Seiten Ausgänge besaßen. Er konnte sich im Augenblick sowieso an nichts anderes erinnern als an ein seltsames Bruchstück eines Albtraums, der sich in seinem Kopf festgesetzt hatte: eine Kupferkugel, ein Büschel Gras, ein Eidechsenfuß, ein gewundenes Stück Birkenrinde, ein Feuersteindolch mit einem Griff aus Eschenholz.
    Zentimeter für Zentimeter bewegte er sich weiter in die Höhle hinein. Seine Augen tränten, und der durchdringende Geruch von Ammoniak oder etwas Ähnlichem – so widerlich ranzig, dass es fast schon süß roch, wie verdorbenes Fleisch – hing in der Luft. Grove atmete nur ganz flach. Er wollte sich gerade die Augen wischen, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
    Er wirbelte herum.
    Ein undeutlicher Schatten huschte über die Höhlenwand hinter ihm und wurde von Groves Wahrnehmung sofort als riesig erfasst, als verflucht riesig und wahrscheinlich nicht von einem Menschen, so wie er watschelte, anstatt zu rennen. Grove riss den Revolver hoch, Finger am Abzug, und ein Schauder lief ihm den Rücken hinunter. Er kauerte sich zusammen und horchte auf die tiefen Orgeltöne, die vor ihm aufstiegen und sich anhörten, als kämen sie von einer Lokomotive.
    Wieder zuckten Blitze und erleuchteten sekundenlang die Höhle.
    Ein ausgewachsener männlicher Bär versperrte die Öffnung. Seine riesigen Schneidezähne glitzerten, die Augen verdrehte er so, dass nur noch das Weiße zu sehen war, und sein unwirkliches Grollen klang wie der tiefste, längste und wütendste Ton einer Orgel.
    Im Flackern des Lichts erstarrte Grove in Todesangst. Sein Finger krampfte am Abzug. Der gigantische Schwarzbär stieß ein röhrendes Gebrüll aus, bevor er sich zum Angriffssprung sammelte.
    Dann machte er den Satz.
    Der .357er ging los – zwei Silberblitze in der Dunkelheit – und fetzte dem Bären mitten im Sprung zwei Büschel aus dem Ohr. Grove stolperte rückwärts über die eigenen Füße und landete so hart auf dem Hintern, dass ihm die Luft aus den Lungen gepresst und der Tracker aus den Händen gerissen wurde.
    Die gigantische Masse aus Fell und Zähnen landete auf Grove, der einen erstickten Schreckenslaut von sich gab. Jemand hatte einen Kleinwagen auf seinen Unterleib geworfen.
    Das weit geöffnete und widerlich stinkende Maul des Bären mit Fangzähnen, die von Speichel trieften, stieß auf Groves Gesicht zu, der jetzt rein instinktiv handelte: Er sammelte seine ganze Kraft, um in einem letzten verzweifelten Versuch die schwarz glänzende Schnauze der tobenden Bestie mit den Händen wegzudrücken.
    In der Dunkelheit kämpfte Grove um sein Leben: Es war, als klammerte er sich an eine schwere, wollene und vibrierende Kettensäge. Die scharfen Zähne des Untiers gruben sich in seine Hände, die gesamte Körpermasse des Tieres presste sich auf seine Beine und die Krallen der Hinterpfoten zerfetzten seine durchnässten Hosen und rissen tiefe Wunden in seine Oberschenkel. Ein durchdringender Schrei entfuhr dem wütenden und blutenden Bären – ein sonderbar weinerlicher, fast kindlicher Laut, der aus dem Abgrund der Bärenkehle emporstieg.
    Wieder flammten Blitze auf.
    Im gleißenden Licht befanden sich Grove und das Tier einander Auge in Auge gegenüber, als plötzlich hinter dem Bären ein sirrendes Geräusch ertönte und das Tier veranlasste, ruckartig den Kopf zu drehen.
    In einem Sekundenbruchteil – bevor das Flackern des Blitzes

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