Die Eisprinzessin schläft
Wärme.
Es war lange her, daß er so nervös gewesen war. Das Gefühl, das er in der Magengrube verspürte, war zugleich wunderbar und schrecklich.
Der Kleiderberg auf seinem Bett wuchs mit jedem neuen Ensemble, das er anprobierte. Alles, was er anzog, erschien ihm entweder zu unmodern, zu schlampig, zu herausgeputzt, zu dämlich oder ganz einfach zu häßlich. Außerdem saßen die meisten Hosen in der Taille unangenehm eng. Mit einem Seufzer warf er eine weitere Hose beiseite und setzte sich nur in Unterhosen auf die Bettkante. Plötzlich hatte er alle Lust auf den Abend verloren, und ihn packte statt dessen eine gehörige Menge rechtschaffener Angst. Vielleicht war es das beste, die Sache abzusagen.
Patrik ließ sich hintenüber fallen und schaute an die Decke, die Hände hinterm Kopf verschränkt. Er hatte hier noch immer das Doppelbett stehen, das er mit Karin geteilt hatte, und jetzt strich er in einem Anfall von Sentimentalität mit der Hand über ihre Seite des Bettes. Erst kürzlich hatte er angefangen, im Schlaf auch auf diese Seite hinüberzurollen. Eigentlich hätte er sich wohl sofort ein neues Bett anschaffen müssen, als sie ausgezogen war, aber er hatte es nicht über sich gebracht.
Trotz aller Trauer, die er verspürt hatte, als sie ihn verließ, fragte er sich manchmal, ob es wirklich Karin war, die er vermißte, oder ob ihm einfach die Illusion fehlte, die er über die Institution Ehe gehabt hatte. Sein Vater hatte seine Mutter wegen einer anderen Frau verlassen, als Patrik zehn Jahre alt war, und die Scheidung, die dann erfolgte, war äußerst aufreibend gewesen, wobei in erster Linie er und seine kleine Schwester Lotta als Schlaghölzer gedient hatten. Damals hatte er sich geschworen, niemals untreu zu sein, aber vor allem, daß er sich nie, wirklich nie scheiden lassen würde. Wenn er heiratete, sollte das fürs ganze Leben sein. Als er und Karin also vor fünf Jahren in der Tanumsheder Kirche vorm Altar standen, hatte er auch nicht eine Sekunde daran gezweifelt, daß dies eine Verbindung für immer war. Aber das Leben gestaltet sich selten so, wie man glaubte. Karin und Leif hatten sich hinter seinem Rücken über ein Jahr lang getroffen, bevor er dahintergekommen war. Eine richtig klassische Geschichte.
Er war eines Tages früher von der Arbeit nach Hause gegangen, weil er sich nicht ganz wohl fühlte, und da lagen sie hier im Schlafzimmer. In dem Bett, auf dem er sich gerade ausstreckte. Vielleicht war er ja ein richtiger Masochist. Wie war es sonst zu erklären, daß er das Bett nicht längst rausgeworfen hatte? Aber jetzt war die Sache erledigt. Es spielte keine Rolle mehr.
Er erhob sich vom Bett, noch immer nicht ganz sicher, ob er heute abend zu Erica gehen wollte oder nicht. Doch, er wollte. Und er wollte auch nicht. Ein Anfall mangelnden Selbstvertrauens hatte mit einem Schlag alle Erwartung weggefegt, die er den ganzen Tag, ja die ganze Woche verspürt hatte. Aber es war zu spät, um abzusagen, also blieb ihm keine Wahl.
Als er am Ende ein paar Chinos fand, die in der Taille akzeptabel saßen, und dazu ein blaues, frisch gebügeltes Hemd angezogen hatte, fühlte er sich plötzlich ein bißchen besser und fing wieder an, sich auf den Abend zu freuen. Etwas Schaumfestiger ließ ihn passend zerzaust aussehen, und nachdem er seinem Spiegelbild viel Glück zugewinkt hatte, fühlte er sich imstande loszufahren.
Draußen war es schwarz wie die Nacht, obwohl es erst halb acht war, und ein leichter Schneefall sorgte für schlechte Sicht, als er sich auf dem Weg nach Fjällbacka befand. Er lag gut in der Zeit und brauchte nicht zu hetzen. Die Gedanken an Erica wurden für ein Weilchen von den Ereignissen verdrängt, die sich in den letzten Tagen bei der Arbeit abgespielt hatten. Mellberg war nicht zufrieden gewesen, als Patrik ihm nur mitteilen konnte, daß die Zeugin Jenny Rosen, die Nachbarin von Anders Nilsson, ihrer Sache sicher zu sein schien und Anders somit für den kritischen Zeitpunkt tatsächlich ein Alibi besaß. Patrik hatte aufgrund dieser Sache zwar nicht denselben Grad an Aggressivität erreicht wie Mellberg, aber er konnte nicht leugnen, daß ihn irgendwie Hoffnungslosigkeit gepackt hielt. Es war drei Wochen her, daß sie Alex gefunden hatten, doch schienen sie einer Lösung heute nicht viel näher zu sein als damals.
Jetzt war es wichtig, den Mut nicht völlig sinken zu lassen, sondern sich zusammenzunehmen und von vorn anzufangen. Jeder Anhaltspunkt, jede
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