Die Eissegler von Tran-ky-ky
Ich sagte Ihnen ja, daß ich gesucht werde. Nun, wollen Sie wissen, weshalb man mich sucht? Ich glaube, Jungchen, ich könnte es Ihnen sagen.«
Das lenkte Ethans Aufmerksamkeit von dem heulenden Unwetter ab. September sah ihm kerzengerade in die Augen. Er klammerte sich mit einer Hand an die Reling und mit der anderen an eine Sicherheitsleine und kämpfte gegen den Wind an.
»In jenem Krieg sind hundertzwanzig Millionen Menschen gestorben. Eine ganze Woche hat er gedauert. Es gibt ein oder zwei Leute, die der Meinung sind, ich wäre dafür verantwortlich. Deshalb suchen die mich. Jetzt wissen Sie's, Jungchen.« Darauf drehte er sich um, griff mit beiden Händen nach der Sicherheitsleine und arbeitete sich auf die nächste Luke zu.
Ethan war zu schockiert, um ihn aufzuhalten, zu benommen, um irgendwelche Fragen stellen zu können. Der Analavakrieg war einer der großen Schrecken der modernen Zeit, ein Schandfleck in der Geschichte des Commonwealth, so etwas wie ein bösartiger Ausschlag im Leumundszeugnis des gereiften Homo sapiens, ein erschreckender Rückfall in eine ferne barbarische Vergangenheit. Persönlich konnte er sich nur ganz undeutlich daran erinnern - er war damals acht oder neun Jahre alt gewesen. Einzelheiten hatte er erst später im Laufe seiner Ausbildung erfahren. Aber der Schrecken und der Schock, den dieser Krieg auf die Erwachsenen rings um ihn ausgeübt hatte - daran ko nnte er sich selbst aus seiner Kindheit erinnern.
September war natürlich verrückt. Man konnte unmöglich einen einzigen Menschen für den Tod von 120 Millionen menschlicher Wesen verantwortlich machen.
Ein Blitz zuckte ganz nah auf das graue Eis hernieder. Er blickte sich erschrocken um, sah aber nichts davon.
Eine riesige Hand hob ihn auf und warf ihn von seiner Pritsche. Er fand das in keiner Weise komisch und machte seinem Ärger auch in höchst bestimmten Worten Luft und schlug ärgerlich in dem finsteren Raum um sich. Dann begann der Schlaf ihn loszulassen, und er nahm einige Tatsachen gleichzeitig in sich auf.
Zunächst war er zwar davon überzeugt, aufrecht zu sitzen, schien sich aber in Wirklichkeit zur Seite zu neigen. Er war sicher, daß der Fehler bei seiner Umwelt und nicht bei ihm lag. Und je mehr sich seine Augen an die Finsternis gewöhnten, desto sicherer wurde er. Er tastete in der Dunkelheit herum und zündete eine Öllampe an. Ja, das Deck neigte sich in einem höchst unnatürlichen Winkel zur Linken.
Ein Potpourri tranischer Flüche drang an sein Ohr. Dem schloß sich eine ähnliche Kanonade in Terranglo aus Septembers Kabine, die neben der seinen lag, an. Er öffnete die Tür.
Jemand hatte bereits die Lampe im Korridor angezündet, und es begann hell zu werden. Wenn es wirklich einen Seemann oder Soldaten geben sollte, der nicht aus seiner Pritsche gekippt worden war, so sah Ethan ihn jedenfalls nicht.
Er trat hinaus und bemühte sich dabei, in seine Jacke zu schlüpfen. Überall rappelten sich Tran auf, versuchten ihre Pritschen geradezuziehen und das Bettzeug auseinander zu sortieren, wobei sie immer wieder die gleichen sinnlosen und nicht zu beantwortenden Fragen wiederholten. Von irgendwo weit vorne war ein schmerzerfülltes Stöhnen zu hören, ansonsten schienen alle mehr geistig als physisch erschüttert. Er kehrte um und schlug an die Kabinentür, die der seinen gegenüber lag.
Im gleichen Augenblick trat mit besorgter Miene Sir Hunnar heraus. Der etwas benommene Ritter versuchte sich den Schlaf aus den Augen zu reiben und sich gleichzeitig das Schwert umzuschnallen.
»Wir stehen!« stieß Ethan hervor.
Hunnar schüttelte seine mächtige rote Mähne. »Ich sehe schon, Euch entgeht nichts, Sir Ethan. Ganz entschieden stehen wir.«
Ethan blickte an der mächtigen Statur des anderen vorbei und erhaschte einen Blick auf General Balavere, der ebenfalls mit seiner Jacke kämpfte. Kurz darauf schloß September sich ihm an, und die drei polterten die Treppe nach oben.
Beinahe wären sie mit Ta-hoding zusammengestoßen. Der Gesichtsausdruck des vierschrötigen Kapitäns wirkte keineswegs ermutigend.
Hellespont du Kane streckte den Kopf zur Kabinentür heraus und rief ihnen zu: »Was ist denn passiert, meine Herren?«
»Das werden wir schon herausfinden, Mr. du Kane«, schrie Ethan zurück. »Und wenn wir es wissen, sagen wir Ihnen sofort Bescheid.«
Der Finanzier nickte und verschwand wieder in seinen Gemächern.
Ta-hoding führte sie die Stufen hinauf und brummte dabei: »Es scheint,
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