Die Eissphinx
zu lagern. Bezüglich der Nahrungsmittel hieß es, daß diese – Mehl, conserviertes Fleisch, getrocknete Gemüse u. s. w. – für einen Winter, mochte er auch noch so lang und noch so rauh sein, mehr als ausreichen würden. Auch Brennmaterial, vor allem Steinkohle, fehle nicht, wenn letztere nicht verschwendet würde, und es wäre möglich, damit sparsam umzugehen, da Leute, die überwintern müssen, unter einer Decke von Eis und Schnee selbst die strengste Kälte der Polarzone zu ertragen vermöchten.
Nach diesen beiden Seiten gab der Kapitän Len Guy also Versicherungen ab, die jede Beunruhigung zu bannen geeignet waren. Daß er hier mehr sagte, als er selbst glaubte, nahm ich nicht an, zumal da auch Jem West seinen Worten zustimmte.
Nun erübrigte noch eine dritte, sehr wichtige Frage, die mit ihrem Für und Wider die Eifersucht und den Unmuth der Mannschaft wohl erregen konnte, und die vom Segelmeister aufgeworfen wurde.
Sie betraf eine Entscheidung darüber, wie das einzige, uns verbliebene Boot benützt werden und ob man es für etwaige Bedürfnisse während der Ueberwinterung bereit halten oder sich seiner bedienen sollte, um nach dem Packeis hinauszufahren.
Der Kapitän Len Guy wollte sich hierüber nicht gleich aussprechen; er verlangte nur, daß die Entscheidung um vierundzwanzig oder achtundvierzig Stunden verschoben würde. Man durfte ja nicht vergessen, daß das mit dem nöthigen Proviant für eine lange Fahrt belastete Boot nur elf bis zwölf Mann aufnehmen konnte. Es erschien also nöthig, erst alles für die auf dieser Küste Zurückbleibenden vorzukehren, wenn das Boot wirklich abfahren sollte, und für diesen Fall wollte man das Loos entscheiden lassen, wer darin aufgenommen würde.
Der Kapitän Len Guy erklärte darauf, daß weder Jem West, noch der Hochbootsmann, weder ich, noch er selbst Anspruch auf Bevorzugung machen würde, sondern, daß wir uns dem Zufall ebenso unterordneten, wie das alle thun müßten. Von den beiden Maaten der »Halbrane«, Martin Holt und Hardie, war einer so gut wie der andere befähigt, das Boot bis nach den Fischgründen zu führen, die die Walfänger jedenfalls noch nicht verlassen hätten.
Uebrigens dürften die, die dann wegfuhren, nicht die andern vergessen, die sie unter dem sechsundachtzigsten Breitengrade im Winterlager zurückließen, sondern sie mußten mit der Wiederkehr des Sommers ein Schiff hierherschicken, um ihre Gefährten abzuholen.
Alles das wurde, wie ich wiederhole, in ruhigem, doch festem Ton gesagt…. Ich muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen: Der Kapitän Len Guy wuchs gleichzeitig mit dem Ernste der Verhältnisse.
Als er geendet hatte, ohne jemals, nicht einmal von Hearne, unterbrochen zu werden, ließ niemand eine Gegenrede hören. Was hätte eine solche auch betreffen sollen, da die Aussichten im Nothfalle ja für Alle völlig die gleichen waren?
Mit Eintritt der gewöhnlichen Ruhestunde begab sich jeder nach dem Lager zurück, nahm sein von Endicott bereitetes Essen in Empfang und schlief heute zum letzten Male unter den Zelten.
Dirk Peters war noch nicht wieder erschienen und ich suchte auch vergeblich nach ihm.
Am nächsten Tage, dem 7. Februar, ging es nun eifrig an die Arbeit.
Das Wetter war schön, der Wind nur schwach und der Himmel leicht dunstig, während die Temperatur sich auf sechsundvierzig Grad (+ 7·28° C.) hielt.
Ganz zuerst wurde das Boot mit aller dabei nöthigen Vorsicht nach dem Fuße des Eisberges hinuntergeschafft. Von hier aus zogen es die Leute aufs Trockene und zwar auf eine sandige, gegen jede Brandung geschützte Strandfläche. Da es noch in vollkommen unversehrtem Zustande war, konnten wir darauf rechnen, daß es im Bedarfsfalle gute Dienste leisten würde.
Der Hochbootsmann beschäftigte sich dann sofort mit der Ladung und dem noch von der »Halbrane« übrigen Material an Möbeln, Bettzeug, Segeln, Kleidungsstücken, Instrumenten und Werkzeugen. In einer Höhle waren diese Gegenstände dann nicht mehr von einem Kentern oder einer Zerstörung des Eisberges bedroht.
Die Kisten mit Conserven, die Säcke mit Mehl und Gemüsen und die Fässer mit Wein, Gin, Whisky und Bier wurden mittelst Winden von der Seite des Eisberges, die nach dem Ostufer der Bucht vorsprang, herabgelassen und nach dem Ufer befördert.
Ich hatte hierbei ebenso mitgeholfen, wie der Kapitän Len Guy und Jem West, denn diese Arbeit der ersten Stunde duldete keine Verzögerung.
Ich muß auch erwähnen, daß Dirk Peters an
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