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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ueberreste der »Jane« bei der Insel Tsalal zu zeigen, mich an dieser Insel, deren Vorhandensein ich geleugnet hatte, ans Land zu setzen, mich seinem Bruder William und überhaupt sozusagen Auge in Auge der thatsächlichen Wahrheit gegenüberzustellen?
    Ich beschloß aber mit Herbeiführung einer endgiltigen Entscheidung zu warten, bis sich eine passende Gelegenheit bot, den Kapitän Len Guy deshalb anzusprechen.
    Die Sache drängte ja noch nicht so sehr. Nach einem »Wetter nach Wunsch« in den zehn Tagen, die unserer Abfahrt von Tristan d’Acunha folgten, stellte sich eine vierundzwanzigstündige völlige Windstille ein. Nachher sprang der Wind mehr nach Süden um, und die sehr scharf daran hinsegelnde »Halbrane« mußte viel Leinwand einziehen, da es bald recht heftig wehte. Jetzt war auf die hundert Seemeilen, die wir von einem Sonnenaufgang zum andern durchschnittlich zurückgelegt hatten, nicht mehr zu rechnen. Die Dauer der Ueberfahrt mußte sich deshalb wohl verdoppeln, und dann durfte uns immer noch kein Sturm überraschen, der das Schiff etwa zwang, sich ihm ganz gerade entgegen zu halten oder ihm mit dem Wind im Rücken zu entfliehen.
    Zum Glück erwies sich die Goëlette – ich konnte mich selbst davon überzeugen – als ungemein seetüchtig. Für ihr solides Mastwerk war nichts zu fürchten, wenn sie auch alle Leinwand trug. Ueberdies ließ der Lieutenant, ein so kühner und meererprobter Seemann er auch war, sofort die Segel reefen, wenn die Gewalt des Sturmes sein Schiff irgendwie zu gefährden drohte…. Vor einer Unklugheit oder Ungeschicktheit Jem West’s brauchte uns gewiß nicht bange zu sein.
    Vom 22. September bis 3. October, also zwölf Tage lang, kamen wir nur sehr wenig vorwärts. Der Abtrieb nach der amerikanischen Küste zu war so bemerkbar, daß wir ohne eine Strömung, die die Goëlette von unten her gegen den Wind halten half, wahrscheinlich noch mit Patagonien Bekanntschaft gemacht hätten.
    Während dieser Periode schlechten Wetters sachte ich vergeblich Gelegenheit, mit dem Kapitän Len Guy unter vier Augen zu sprechen. Außer den Mahlzeiten blieb er stets in seiner Cabine, überließ die Schiffsführung dem Lieutenant und erschien auf Deck nur zum Zwecke einer Höhenmessung, wenn sich die Sonne einmal durch eine Lichtung der Wolken zeigte. Jem West – das sei nicht verschwiegen – wurde von seiner Mannschaft, dem Hochbootsmann der Spitze »aufs beste unterstützt und es möchte sehr schwierig gewesen sein, so eine Hand voll noch geschickterer, kühnerer und entschlossenerer Männer zu finden.
    Am Morgen des 44.October änderte sich der Zustand des Himmels und des Meeres ganz bedeutend. Der Wind flaute ab, der hohe Wogengang legte sich allmählich, und am nächsten Tage zeigte die Brise schon Neigung nach Nordwesten umzulaufen.
    Eine günstigere Aenderung konnten wir uns gar nicht wünschen. Die Reefe wurden gelöst und jetzt auch alle oberen Segel beigesetzt obwohl der Wind bald wieder steifer wurde. Hielt diese Witterung aus, so mußten wir vor Ablauf von zehn Tagen die ersten Höhen der Falklands-Inseln erblicken.
    Vom 5.bis zum 10.October wehte es mit der Beständigkeit und Regelmäßigkeit eines Passats, so daß keine Schooten anzuziehen oder nachzulassen waren. Wenn sich die Stärke des Windes auch etwas verminderte, so blieb uns seine Richtung doch fortwährend günstig.
    Die von mir gesuchte Gelegenheit, den Kapitän Len Guy ein wenig auszuhorchen, bot sich am Nachmittage des 11. Er lieferte sie mir sogar selbst indem er mich unter folgenden Umständen anredete.
    Ich saß in Lee (unter dem Winde) des Ruff, als der Kapitän Len Guy aus seiner Cabine trat, sich nach rückwärts hin umsah und dann neben mir Platz nahm.
    Offenbar wünschte er, mit mir zu sprechen, und worüber anders als das, was seine Gedanken vollständig in Anspruch nahm. So begann er denn, noch leiser flüsternd als gewöhnlich:
    »Seit unserer Abfahrt von Tristan d’Acunha, Herr Jeorling, hatte ich noch nicht wieder das Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern…
    – Was ich sehr bedauert habe, Kapitän, antwortete ich, ohne auf weiteres einzugehen, da er womöglich selbst davon anfangen sollte.
    – O, ich bitte um Entschuldigung, sagte er. Ich habe den Kopf gar so voll gehabt… hatte einen Fahrtplan zu entwerfen… dabei alles bis aufs kleinste vorzusehen… Sie werden mir also nicht böse sein….
    – Nicht im mindesten… gewiß nicht….
    – Ich danke, Herr Jeorling, und heute, wo ich Sie kennen

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