Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
eine flüchtige geistige Verbindung zu ihnen herzustellen. Ich fürchte, sie werden zu Dienern des Bösen – wie ihre Eltern.«
»Magolas und Larana stehen nicht freiwillig auf der Seite Xarors«, erinnerte Nathranwen nachdrücklich. »Sie haben keine Wahl.«
»Es hätte sicher eine andere Möglichkeit gegeben.«
»Um Laranas Leben zu verlängern?« Nathranwen schüttelte den Kopf. »Ich versichere Euch, meine Königin, es ist alles versucht worden. Aber nichts von den Bemühungen, an denen ich ja auch einen gewissen Anteil hatte, war von Erfolg gekrönt. Ihr hättet die Verzweiflung im Gesicht Eures Sohnes sehen sollen, als wir Heiler ihm schließlich jede Hoffnung nehmen mussten, das Leben seiner geliebten Gemahlin zu verlängern. Euer Sohn verfügt ja selbst über erhebliches magisches Talent, und auch er hat wirklich alles in seiner Macht Stehende versucht. Ich weiß nicht, wie ich an Magolas’
Stelle gehandelt hätte. Er musste eine schreckliche Wahl treffen…«
Ruwen nickte. Dann fragte sie mit belegter Stimme: »Urteile ich zu hart?«
Nathranwen zögerte mit der Antwort. »Es waren so große Hoffnungen, die wir alle seinerzeit mit der Geburt von Andir und Magolas verbanden«, sagte sie schließlich. »Und ich gebe zu, dass sich manche dieser Hoffnungen in ihr Gegenteil verkehrt haben. Das bewirkt harte Urteile.«
»Ja, da habt Ihr zweifellos recht«, gab Ruwen zu. »Nicht nur im Hinblick auf Magolas…« Ihre Gedanken wanderten in der Zeit zurück. Welch ein ungeahntes Glücksgefühl hatte sie durchströmt, als Nathranwen ihr verkündet hatte, sie – Ruwen
– erwarte Zwillinge. Der ganzen Elbenheit war dies als ein gutes Omen erschienen. Ein Zeichen, das König Keandirs Volk förmlich dazu aufgefordert hatte, im Zwischenland zu bleiben und dort ein Elbenreich zu gründen, das größer und schöner hatte sein sollen als alle Elbenreiche, die es in der Alten Heimat Athranor je gegeben hatte.
»Ich verstehe nicht, dass Andir das Schicksal der Elbenheit so gleichgültig sein kann«, äußerte Ruwen nach einer längeren Pause. »Ich habe immer wieder versucht, geistige Verbindung mit ihm aufzunehmen. Aber er scheint schon zu entrückt, um das noch wahrnehmen zu können; anders kann ich mir nicht erklären, dass er mir nicht geantwortet hat und seine Besuche in Elbenhaven immer seltener geworden sind. Dabei sind seine magischen Fähigkeiten einzigartig in der gesamten Elbenheit.«
»Auch Andirs Suche nach sich selbst und der Wahrheit wird irgendwann beendet sein«, entgegnete Nathranwen. »Ihr solltet nicht vergessen, wie viel er dem Königreich Elbiana gegeben hat. Die Brücke über den Nur bei Minasar ist sein Werk, ebenso wie die Aratanische Mauer, die uns seit einem Zeitalter vor den Rhagar schützt. Kein anderer Magier hat so viel geschaffen wie er. Und in der Schlacht gegen den Eisenfürsten war er es, der die Magier und Schamanen der Elbenheit anführte, um aus dem Nichts heraus Gesteinsbrocken erscheinen und sie auf die Reihen des Feindes stürzen zu lassen.«
»Aber jetzt schlägt erneut eine schwere Stunde für die Elbenheit«, sagte Ruwen. »Und er ist nicht da! Statt dem Reich, dem auch er alles verdankt, zu helfen, zieht er sich zurück, um sich der Wahrheitsfindung, der Selbstfindung, der Reinigung seines Geistes und dergleichen mehr zu widmen.«
Ruwen schüttelte den Kopf. »Manchmal will es mir scheinen, als hätte ich in der Erziehung meiner Söhne kläglich versagt.«
»Ihr seid allzu selbstkritisch, meine Königin«, widersprach Nathranwen.
Ruwen erwiderte nichts mehr auf die Worte der Heilerin.
Stattdessen erinnerte sie sich daran, wie Andir und Magolas einst, jeder mit einem der Zauberstäbe des Augenlosen Sehers bewaffnet, im Alter von acht Jahren aufeinander losgegangen waren. Vor ihrem inneren Auge verwandelten sich die beiden Kontrahenten dabei in Männer.
Ruwen erschrak, und sie begann sich zu fragen, ob es tatsächlich wünschenswert war, dass Andir aus seinem selbst gewählten Exil zurückkehrte und in die Geschehnisse eingriff, oder ob dadurch das Ausmaß des tragischen Verhängnisses nicht nur noch schlimmer wurde…
Andir, mein Sohn… Vielleicht sind es ja diese Zweifel, die dich davon abhalten, uns in unserer Not zu helfen!
Ein schneidend kalter Wind durchdrang die Kutte aus grauweißem Elbenzwirn, an der jeglicher Schmutz abperlte.
Doch Andir störte die Kälte nicht. Er spürte sie nicht mal, so wie er insgesamt den unmittelbaren sinnlichen Kontakt zur Welt
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