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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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römischer Chronist müßte jene Nacht tatsächlich nach dem Brauch seines Volkes mit einem weißen Stein - dem Zeichen für ein glückliches Ereignis - vermerken. Als die Karthager, mit Garben schwer beladen, schon fast das Tor ihres Lagers erreicht hatten, blitzten Schwerter über ihren Köpfen. Die Krieger des Minucius, die im Hinterhalt gelegen hatten, fielen über sie her, nahmen ihnen die Beute ab und schlugen sie in die Flucht.
    Die Nachricht von diesem Sieg erreichte Rom auf dem schnellsten Weg, und die Volkstribunen, wie man die Vertreter der Plebejer nannte, beriefen sofort eine Versammlung ein.
    „Zum Forum! Zum Forum!" schrien die Ausrufer durch die Straßen der Schuster, Kuchenbäcker, Kupferschmiede, Vergolder und Töpfer, denn in Rom wohnten die Handwerker voneinander gesondert. 
    In ihrer Arbeitskleidung, der kurzen Tunika, noch mit Lehm oder Ruß, mit Kuchenteig oder Teer beschmiert, verließen die Männer ihre Werkstätten und strömten durch die engen, gewundenen Straßen zum Herzen der Stadt, dem römischen Forum.
    „Bürger!" begann ein Volkstribun. „Ich beglückwünsche euch zum Siege des Minucius! Als Kommandeur der Reiterei überfiel er mit seinen Truppen die Feinde, die die Dörfer Apuliens verheerten. Dabei wurden über hundert Karthager getötet und ebenso viele gefangengenommen. Unsere Krieger haben bewiesen, daß sie nicht nur imstande sind, befestigte Lager zu bauen und sich verlustlos zurückzuziehen, was der Diktator Fabius offenbar für die wichtigste Aufgabe hält, sondern daß sie es auch verstehen, die Feinde in die Flucht zu schlagen." 
    Beifall rauschte über den Platz. Die Senatoren, die Fabius umringten, erschraken über diese Mißfallenskundgebung gegen den Diktator. Doch dieser zuckte nicht mit der Wimper.
    „Jetzt wißt ihr", fuhr der Volkstribun fort, „wer die Schuld trägt an unserem Unglück und an den Menschenverlusten, die fast jede Familie zu beklagen hat. Es sind die Patrizier! Sie benutzen diesen Krieg, um das Volk seiner Rechte zu berauben, es einem Diktator zu überantworten! Und jetzt ziehen sie den Krieg absichtlich in die Länge, um ihm die Macht zu erhalten. Kaum hat Fabius für kurze Zeit die Truppen verlassen, da errangen sie schon einen Sieg! Wir müssen den Diktator absetzen und einen tüchtigeren Mann an die Spitze des Heeres stellen. Dann könnte sich der Feind keinen Tag länger in Italien halten!" 
    Beifällige Rufe dröhnten über den Platz. 
    „Richtig!" riefen die Plebejer. „Fort mit dem Zauderer Fabius!" 
    Trotz ihrer empörten Rufe erklomm Fabius die Rednertribüne. Die Plebejer ließen ihn nicht zu Wort kommen, beschimpften ihn als Feigling und Verräter. Eindeutig lehnten sie die Art seiner Kriegführung ab.
    Nachdenklich blickte Fabius zu ihnen hinab. Daß ihre Geduld erschöpft war, konnte er durchaus verstehen. Hannibals Söldner hatten die Felder der Bauern verheert, deshalb litten die Städter unter der Teuerung, der unausbleiblichen Folge jedes Krieges, dehalb wollten sie eine Entscheidungsschlacht so schnell wie möglich herbeiführen. Aber Fabius wußte, daß dies unmöglich war, denn eine solche Schlacht würde im gegenwärtigen Augenblick nur mit einer weiteren Niederlage enden. Das hatten er und seine Freunde den Römern oft genug gesagt, aber sie glaubten es nicht.
    „Ich werde auf diese Beschuldigungen keine Antwort geben", sagte er scharf, als er sich schließlich doch Gehör verschaffen konnte. „Ich habe Minucius das Heer anvertraut mit dem Befehl, sich nicht in eine Schlacht einzulassen. Er hat diesen Befehl nicht ausgeführt und wird dafür bestraft werden. Mehr habe ich nicht zu sagen."
    Es erhob sich ein unbeschreiblicher Lärm. Alle wußten, daß ein Diktator die Macht hatte, jeden Bürger in Ketten zu schlagen und ihn ohne Gerichtsverfahren hinzurichten.
    „Bürger, laßt Minucius nicht im Stich!" schrie der Volkstribun. „Nehmt Fabius die Macht und übergebt sie dem, der imstande ist, Rom zu retten!"
    Daraufhin faßten die Plebejer einen Entschluß, der in der römischen Geschichte einmalig war: Sie wählten Minucius zum zweiten Diktator mit den gleichen Rechten, die Fabius besaß.
    Als Fabius wieder bei den Truppen eintraf, platzte Minucius, sein ehemaliger Untergebener, fast vor Stolz.
    „Laß uns abwechselnd kommandieren!" schlug er Fabius vor. „Einen Tag ich, einen Tag du." Fabius schüttelte den Kopf.
    „Besser ist es, wenn wir die Legionen teilen", erwiderte er. „Ich behalte die erste und

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