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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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brennende Reisigbündel auf den Hörnern trugen. Der Wind blies in die Flammen, daß die Funken sprühten. Rasend vor Angst versuchten die Ochsen, das brennende Reisig abzuschütteln. Von hinten klangen die Rufe der Treiber, Peitschengeknall, Kriegsgeschrei. Die Ochsen wurden demnach von den Karthagern bergauf getrieben. Wie sollten die römischen Legionäre mit einem Feind kämpfen, der sich hinter Ochsen verschanzte? Hinter friedlichen Tieren, die es gewohnt waren, vor dem Pflug zu gehen oder Lasten zu ziehen?
    Aus Angst vor einer neuen List ergriffen die Römer die Flucht. Aber auf halber Höhe des Berges stießen sie mit der leichten karthagischen Kavallerie zusammen, und nur die Dunkelheit rettete sie vor der gänzlichen Vernichtung.
    Auch Quintus Fabius nahm die Feuer in den Bergen wahr, doch mit der ihm eigenen Besonnenheit befahl er seinen Legionären, das Lager nicht zu verlassen. Als es tagte, erkannte er, daß das karthagische Heer den Hohlweg besetzt hielt und seine mit Pferden und Maultieren bespannten Troßwagen in ununterbrochener Schlange hindurchfuhren. Die römischen Truppen dagegen waren spurlos von den Hängen am Hohlweg verschwunden.
    Er ließ die flüchtigen Legionäre vor seinem Feldherrnzelt antreten. Mit gesenktem Kopf standen sie da. Ihre Kleidung war zerfetzt, ihre Arme und Beine zerschrammt.
    Der Diktator trat vor sie hin, gefolgt von seinen Liktoren, die alle fast einen Kopf größer waren als er.
    „Das römische Volk hat mich mit gewaltiger Macht ausgestattet", sagte er und wies auf die Liktoren, die wie immer ihre Rutenbündel mit den Beilen bei sich trugen. „Aber ich werde euch weder zum Tode noch zu demütigenden Strafen verurteilen. Euch kann ich diesen Fehler verzeihen, mir jedoch nicht. Die Götter sollen entscheiden, ob ich der Macht noch würdig bin, mit der mich der Senat und das römische Volk betrauten. Deshalb will ich mich nach Rom begeben und nach altem Brauch die Götter befragen. Minucius wird euch in meiner Abwesenheit befehligen!"
    Er drehte sich um und ging langsam in sein Zelt zurück. Die Legionäre blickten ihm verwundert nach.
    Unter ihnen stand auch Gnaeus Naevius. Aber er starrte abwesend vor sich hin. Die Einfälle drängten sich in seinem Hirn, die ersten Zeilen fügten sich zu rhythmischem Klang zusammen. Sie kündeten von den nächtlichen Sternen, die über dem Hohlweg standen, von brennenden Reisigbündeln auf den Hörnern brüllender Ochsen, vom Geklirr der Waffen und den leisen Worten des Diktators. Es waren die ersten Verse des großen Poems, das Gnaeus Naevius schreiben würde, falls die Götter ihn am Leben ließen. Denn er hatte erkannt, daß dieser Krieg ebenso bedeutsam war wie jener, den Homer einst in seiner , Ilias" beschrieb. 
    Die Nachfahren des trojanischen Helden Äneas, der aus dem brennenden Troja floh und nach langen Irrfahrten in Italien ansässig wurde, kämpfen nun gegen die Nachfahren der Königin Dido, die Karthago gründete und sich später aus Kummer über die Untreue des Äneas freiwillig auf dem Scheiterhaufen verbrannte! stellte Gnaeus Naevius fest. Aber was weiß ich eigentlich von den Nachfahren der Dido? grübelte er weiter. Daß sie schlau und rachsüchtig sind, mehr nicht. Obgleich Homer Grieche war, hat er die Trojaner, die Feinde der Griechen, nicht als Bösewichter geschildert, sondern als mutige, kluge, edle Männer, die ihre Väter, ihre Frauen und Kinder liebten. Auf welche Weise gelang es Homer, sich so tief in seine Feinde hineinzuversetzen? Hat er sich jahrelang bei ihnen aufgehalten, war er Augenzeuge, als der greise König Priamos weinte? All das ist mir unbekannt. Dagegen weiß ich genau, daß ich es nur dann mit Homers Gestaltungskunst aufnehmen kann, wenn ich die Karthager genauer kennenlerne, wenn ich von ihnen mehr sehe als Ochsen mit Feuern auf den Hörnern! 
     
     
Der zweite Diktator
     
    Der römische Erdgott Consus liebt es, wenn zur Erntezeit fröhliche Stimmen über die Felder schallen, die Sicheln blinken und die reifen Ähren rauschend zu Boden sinken, wenn in den Scheunen die goldenen Garben aufgetürmt werden und am Schluß die Fuhrwerke durch die Straßen rollen, bespannt mit bekränzten Maultieren und Pferden. 
    Aber in diesem Jahr konnte er sich an solchen Freuden nicht ergötzen. Eines Nachts verließen die Karthager ihr Lager, Sicheln und Stricke in den Händen. Sie schlichen zu fremden Feldern, um zu ernten, was sie nicht gesät hatten. Doch Consus bestrafte die Diebe. 
    Ein

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