Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
läuft. Wenn wir also am Sonntag zu meiner Tante Gisela fahren und wir in den Stau kommen, weil ein Lande-Kommando der Marsianer die große Brücke besetzt hat, dann hat mein Vater einen Plan B. Ein Plan B ist sowas wie ein Ass im Ärmel.
Mein Vater fährt nur mit Navigationsgerät. Das ist ganz klein und lässt sich mit einem Saugnapf an der Scheibe festmachen. Das neue Navigationsgerät von meinem Vater hypnotisiert mich richtig, wie wenn ich der Mowgli-Schlange Kaa ganz lange in die Augen sehen würde. Es hupt, piepst und grunzt. Und wenn die Marsianer die Brücke besetzt haben, dann sagt das kleine Ding:
„Sie werden umgeleitet. Biegen Sie jetzt rechts ab.“
Aber das sagt der kleine Kasten auf Englisch. Ganz freundlich. Wie ein Nachrichtensprecher von der BBC. Mein Vater hat das Navi nämlich von einer Geschäftsreise nach New York mitgebracht. Ich kenne New York nur von Postkarten und von einem Bildband, den Monas Mutter ihrem Mann auf Weihnachten geschenkt hat. Mona hat mal gesagt, das ist die Stadt, die am ehesten aussieht wie eine Raumstation. Und in der Raumstation hat mein Vater das Navi gekauft. Das ist sein Plan B, wenn wir am Sonntag zu Tante Gisela fahren und Stau ist. Man muss einen Plan B also gar nicht selber haben, man kann ihn auch ausleihen oder hoffen, dass jemand anderer einen Plan B hat, wenn was schief geht.
Als Serrano gemerkt hat, dass ich den Replikantentest machen will, war mein Plan B, dass ich dann wenigstens nachsehe, ob sie einen Schalter hinter dem Ohr hat. Ich mache das ganz schnell. Ich hopse blitzschnell von meinem Stuhl auf, gehe in die Knie und mache mein Schuhband so schnell auf, dass es kein Erwachsener merkt, dass es eigentlich zugebunden war. Dann binde ich mir meinen Schuh wieder möglichst umständlich. So habe ich ganz viel Zeit um von unten zu schauen, ob jemand vielleicht doch einen Schalter hinter dem Ohr hat. Das geht natürlich nur, wenn jemand keine Haare bis zur Schulter hat oder so. Aber das hat die Dame am Nachbartisch auch nicht. Sie hat ja so kurze Haare wie Tante Gisela und auch keinen Schalter hinter dem Ohr. Aber sie ist aus derselben Nervensägen-Klasse. Nervensägen-Klasse 10. Das ist ziemlich übel.
Ich wollte Serrano warnen, aber es war schon zu spät. Sie schimpfte gleich los und schwallte Serrano mit irgendwelchen Fragen zu. Ob er mein Erziehungsberechtigter ist und solche Sachen eben. Serrano könnte doch einfach mein Großvater sein, oder? Oder nicht? Vielleicht hatte sie so eine Art Scanner dabei, den sie in ihrer Handtasche versteckt hat. Immer wenn am Nachbartisch Jungen mit älteren Herren sitzen, die nicht ihr Großvater sind, gibt das Ding Alarm. Dann legt sie los. Vielleicht ist sie aber auch Lieutenant und hat ein Blick für solche Sachen.
Vielleicht sieht sie einen Unterschied in einem Großvaterüberdenkopfstreicheln und einem Nichtgroßvaterüberdenkopfstreicheln.
Vielleicht sollte ich sie einfach fragen. Aber dann habe ich mich doch nicht getraut. Sie weiß ja nicht, dass ich ADS habe und dass man einem Kind mit ADS keine Ohrfeige geben darf.
Dann fing wegen dem ganzen Stress plötzlich mein Fuß zu zucken an und mein System kam in den roten Bereich. Wenn ich ein Raumschiff wäre, dann würde die Computerstimme jetzt sagen, dass das Schiff jetzt sofort evakuiert werden muss, weil es in zwei Minuten gesprengt wird.
Ich hörte noch durch die Sirenen, dass Serrano immer wieder sagte, dass er nur ein Freund der Familie ist und mich zu einem Eis eingeladen hat.
„Bitte beruhigen Sie sich. Ich bin ein Freund der Familie.“
Aber der Nervensäge-Klasse-Zehn-Replikant schimpfte immer weiter. Was wäre, wenn Serrano plötzlich sein Jedi-Schwert zog und ihr einfach den Kopf abschlug? Dann mussten wir bestimmt auch ihr Eis mit bezahlen, und den Kuchen und den Eiscafe. Mein Fuß zuckte plötzlich so stark, dass ich wusste, es hilft nur noch ein Flug mit dem Todesstern. Den hatte ich aber nicht dabei. Deshalb bin ich plötzlich aufgesprungen und davongelaufen und mit der U-Bahn nach Hause gefahren.
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Jetzt verstand ich langsam besser, was ein Dilemma ist. Serrano hatte eine Überraschung und ich war todesneugierig, was es war. Aber ich war einfach abgehauen. Deshalb habe ich meinen Todesstern vom Schrank geholt und bin erstmal eine Patrouille durch die Wohnung geflogen. An den Kontrollpunkten war alles in Ordnung. Das beruhigte mich. Meine Mutter regt es aber total auf. Besonders wenn sie telefoniert, kann meine Mutter mit
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