Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
über sein Moirewams, unter dem auch er ein solches Kettenhemd trug.
»Als es ans Zahlen ging«, fuhr Tsimmi fort, »ermordete Gael den König Troin mit einem Dolchstoß in den Rücken und floh mit seiner Beute aus Ghâzar-Run, bevor irgendjemand sein Verbrechen entdeckt hatte ... Der König Baldwin, mein Herr, ist hierher gekommen, um in seinem eigenen Namen, aber auch in dem des Volks unter dem Schwarzen Berg, Gerechtigkeit zu fordern!«
Eine ganze Weile herrschte Totenstille im Saal. Die Zwerge bissen die Zähne zusammen und starrten auf den Tisch, der Menschenkönig und sein Ratgeber spielten nervös mit ihren Zöpfen, und die Elfen, bleicher noch als sonst, schlugen die Augen nieder und saßen mit schlagenden Herzen starr da.
»Was ist aus Herrn Gael geworden, Rassul?«, fragte Pellehun so beherrscht wie nur möglich.
Der Graue Elf senkte das Haupt und schloss die Augen. Er fühlte sich vor den Zwergen erniedrigt und außerstande, ihre Geschichte für eine Lüge zu erklären. Natürlich, Gael hätte mehr als jeder andere einen solchen Panzer aus Zwergenher- stellung gebrauchen können, er, der sich im Grenzgebiet zu den Schwarzen Landen niedergelassen hatte, wo er in Reichweite der Dämonenattacken war. Aber die Sumpfelfen waren arm, entsetzlich arm, selbst an den Maßstäben der anderen Elfenvölker gemessen. Womit hätte er einen solchen Silberpanzer bezahlen sollen?
Auch Llandon senkte den Kopf. Gael war ein Grauer Elf, kein Hoher, und er konnte sich nicht an ihn erinnern. Vielleicht kannte ihn Till, der Spurensucher. Früher einmal hatte er zusammen mit den Grauen Elfen in den Sümpfen gefochten und im Feindesland einen Partisanenkrieg gegen die dämonischen Spähtrupps geführt... Einen Augenblick lang machte sich Llandon Vorwürfe, diesem Namen kein Gesicht zuordnen zu können, aber wer kannte die Grauen Elfen denn wirklich? Nicht einmal Rassul, ihr eigener König, der über nichts als die Schatten eines Volks herrschte, das in kleinen Clans über das unwirtlichste aller Gebiete verstreut lebte, in den Marken der Schwarzen Lande. Die Grauen Elfen hatten sich, mit Ausnahme Rassuls und einiger Gemeinden, die nach wie vor auf die herkömmlichste Weise lebten, mit der Zeit isoliert und trafen nur mehr sehr selten mit den Grünen Elfen, den Elfen der Dünen oder den Hohen Elfen zusammen. Letztendlich war es ja mit fast allen Elfen dasselbe ... Llandon hätte größte Schwierigkeiten gehabt, sich an ein Treffen zu erinnern, bei dem mehr als hundert seiner Artgenossen zusammengetroffen wären.
»Ich weiß es nicht«, murmelte schließlich ein leichenblasser Rassul. »Ich weiß es nicht, wo er ist.«
Llandon blickte in die hellgrünen Augen Llianes und gab durch ein Kopfschütteln zu verstehen, dass er ebenfalls keine Ahnung hatte.
»Sire, die Ehre der Elfen und die Erhaltung des Friedens zwischen den freien Völkern gebieten uns, Gael aufzufinden«, sagte Lliane.
»Wir danken dem Herrn Baldwin ... und Meister ...«
Sie suchte nach dem Namen des braunbärtigen Zwergs.
»... Tsimmi«, flüsterte der ihr verlegen zu, was die hohen Herren zum Schmunzeln brachte.
»Meister Tsimmi, ganz recht«, fuhr die Königin fort. »Entschuldigt ... Wir danken Euch, dass Ihr den Rat über diesen Fall in Kenntnis gesetzt habt. Wenn Herr Pellehun es uns gestattet, werden wir Gael nach Loth bringen, damit er sich uns erklärt.«
»Ja, ja«, murmelte Baldwin ungehalten in seinen Bart. »Worte, alles schöne Worte 1 Und in zwei Wochen werdet ihr uns sagen, dass er spurlos verschwunden sei!«
Wieder explodierte Rassul.
»Willst du uns noch mal beleidigen, verfluchter Steinbeißer?«
Der Graue Elf war aufgesprungen, die Hand um den Griff seines langen Dolchs. Am anderen Ende des Tischs zückten Baldwin und seine Ratgeber ihre Äxte, aber sofort traten die zwölf Recken näher an die Mitglieder des Rats heran, bereit, sie zu überwältigen, bevor irgendwelches Blut floss.
»Genug«, donnerte Pellehun und erhob sich.
Sein Schrei sorgte für ein wenig Ruhe.
»Herr Rassul, Eure Worte waren heftiger als beabsichtigt/aber ich bin überzeugt, dass König Baldwin sie Euch nicht nachtragen wird. Wir sind alle müde und mit den Nerven am Ende ... Setzen wir uns doch wieder, meine Herren. Ich bitte euch ...«
Wiederum setzten Elfen und Zwerge sich rund um den bronzenen Tisch nieder, nicht ohne zuvor ausgiebig und auf vielfältige Weise ihren Unmut kundgetan zu haben.
»Königin Lliane hat Recht«, fuhr Pellehun
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