Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
warf sich in ihre Beine, um sie zu Fall zu bringen.
Lliane fiel flach auf den Bauch, verlor ihren Dolch, drehte sich rasend um und durchbohrte ihn mit ihrem gelben Raubtierblick.
Aber schon stand Tsimmi, trotz seines kleinen Wuchses überragte er sie, und hielt eine Handvoll Erde in den Fingern. Er warf sie auf sie und stampfte mit aller Gewalt auf den Boden. Lliane kniff die Augen zusammen, als die niederregnende Erde ihr Gesicht peitschte. Als sie sie wieder öffnete, begegnete sie seinem Blick und sah, wie der Zwerg mit untröstlicher Miene den Kopf schüttelte. Eine Sekunde darauf erhob sich in ohrenbetäubendem Brausen eine Wand aus schwarzer, schlammiger Erde bis hoch über die Baumwipfel, donnerte dann auf die Königin nieder und verschlang sie.
Die Grauen Elfen
In der Ebene hatte es seit zwei Tagen nicht aufgehört zu schneien. So weit das Auge reichte, war alles weiß, und der See selbst begann stellenweise zuzufrieren. Nur die Mauern
von Loth und dahinter die Türme des Palastes, die meilenweit zu sehen waren, hoben sich von der gleichförmigen unbefleck- ten Landschaft ab. Der Herzog-Seneschall Gorlois, in einem Pelzmantel und mit dicken nagelbesohlten Lederschuhen, ließ sich auf seinem Sattel auf- und niederschaukeln und genoss die wattige Stille des ersten Schnees, das gedämpfte Klappern der Pferdehufe und das kaum hörbare Geklirr der Waffen seiner Eskorte. Auf dem Kopf trug er eine Mütze aus rotem Samt, dar- über eine Art Gugel, ein langes Stoffband, das zu beiden Sei- ten der Mütze wie ein Schal auf seine Schultern hinabfiel, sei- ne Hände steckten in langen, pelzgefütterten Lederhandschu- hen, und das Einzige, was er von der Kälte spürte, war eine angenehme Starre des Gesichts, schneidend und belebend, wohingegen seine Männer in ihren gefrorenen Kettenpanzern schnatterten.
Gorlois fühlte sich wohl.
Bis zum Horizont gehörte alles Land den Menschen. In seiner Jugend hatten die Wälder noch bis vor die Tore von Loth gereicht, das damals nur ein befestigtes Städtchen gewesen war, aber die freien Bauern und die Leibeigenen hatten die Wälder abgebrannt und gerodet, die Felder gepflügt und Dörfer erbaut. Das Königreich von Logres war unermesslich groß geworden und mächtiger, als Pellehun oder er selbst je zu träumen gewagt hätte.
»Sire! Da sind sie ...«
Der Ruf des Reiters an der Spitze des Trosses riss den Seneschall aus seinen Gedanken. Er gab seinem Pferd die Sporen, und es fiel in leichten Trab, überholte die Eskorte und brachte ihn bis zu Rassul, dem König der Grauen Sumpfelfen, der ihn am Seeufer erwartete. Gorlois hob die rechte Hand zum Gruß und stieg dann ab, aber weniger schwungvoll, als beabsichtigt. Das Alter begann sich bemerkbar zu machen ...
Rassul war, wie der Seneschall es ihm geraten hatte, allein zu dem Treffen erschienen. Nur sein Vasall, Assan, begleitete ihn und schien keine andere Waffe zu tragen als eine lange Stange, die keine Klinge hatte und noch nicht einmal zugespitzt war.
Die beiden Elfen, die unbeweglich am Seeufer standen, bleich und dünn, trugen wie üblich nichts als ihre langen Moiregewänder, und Gorlois fröstelte bei ihrem Anblick.
Er warf einen Blick nach hinten, um zu prüfen, ob seine Soldaten zurückgeblieben waren, dann zog er den Handschuh aus und reichte dem König die Hand.
»Ich danke Euch, Sire, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid«, sagte er und neigte demütig das Haupt.
»Und was gibt es?«
Gorlois trat noch einen Schritt näher und nahm den Elf zwanglos am Arm. Du lieber Gott, er war nicht einmal bewaffnet! Nicht einmal ein Dolch!
Einen Augenblick lang spielte der alte Krieger mit dem Gedanken, seine Eskorte auf die beiden Elfen zu hetzen und sie zu töten, gleich hier am Ufer. Es wäre kein Problem gewesen. Danach hätte es genügt, ihre Leichen in den See zu werfen. Das Eis gäbe sie erst im Frühjahr wieder frei, und die Grauen Elfen hätten keinen König mehr ...
»Nun?«, hakte Rassul nach.
Gorlois lächelte ihm zu und zog ihn beiseite.
»Sire, ich habe Nachricht von unserer Delegation bekommen. Per Brieftaube aus Kab-Bag.«
»Ja, und weiter?«
»König Pellehun und ich selbst, wir dachten, es wäre besser, Euch zu informieren, bevor der Große Rat tagt. Denn er wird wieder zusammentreten müssen, und zwar noch bevor Königin Lliane und unsere Gesandten nach Loth zurückkehren ... Ich habe schlechte Nachrichten, fürchte ich.«
Rassul blieb stehen und befreite seinen Arm aus Gorlois’
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