Die Elfen 03 - Die Stunde der Elfen
unter keinen Umständen von seiner Seite weichen, bis er wieder die Augen aufschlägt!«
»Jawohl, und genau deshalb bin ich jetzt hier. Das Fieber ist gesunken, und er ist kurz vor Tagesanbruch erwacht... Ach, er hat übrigens nach dir verlangt.«
»Aber zum Teufel noch mal, das hättest du mir doch sagen können!«
»Das habe ich soeben getan.«
Uther setzte zu einer Antwort an, doch dann hielt er inne. Seine geballte Faust sank, und sein Zorn verebbte. Es war nutzlos, mit Merlin zu streiten. Man hätte meinen können, er zöge ein diebisches Vergnügen daraus, ihn in Rage zu bringen, und es gelang ihm mit derart spielender Leichtigkeit, dass es geradezu demütigend war.
»Bleib hier bei Artus«, murmelte er und ging aus dem Zimmer.
Merlins Stimme war noch immer zu hören, als er bereits auf dem Gang war.
»Bis er wieder die Augen aufschlägt?«
Uther antwortete mit einem Grunzen, über das der Kindmann lächeln musste. Dieses Amüsement war jedoch nicht von Dauer. Noch bevor die Schritte des Königs im Gang verklangen, verzog er das Gesicht. Seit Einbruch der Morgendämmerung hatte sich ein Kloß in seinem Hals zusammengeballt, der ihn fast zu ersticken drohte. Ja, Frehir war wieder erwacht, doch trotz der freundschaftlichen Gefühle, die er für diesen gutmütigen Hünen hegte, wäre es ihm vermutlich lieber gewesen, wenn das Fieber noch ein wenig angehalten hätte, zumindest bis zum Abend, bis die Ratsversammlung vorüber wäre ... Oder wenn er zumindest geschwiegen hätte.
Es hatte zwar aufgehört zu regnen, aber der Tag war dennoch ungemütlich: winterlich, eisig und feucht die Strohdächer waren durchnässt und die Gässchen mit Bächen aus schlammigem Regenwasser und Strohhalmen überzogen, die sich zu einer glitschigen Schicht vermischten. Die Witterung war kaum dazu angetan, irgendjemanden in Jubelstimmung zu versetzen. Doch es waren so viele Leute unterwegs, dass die Stadt nach und nach wieder so belebt war wie an freundlicheren Tagen, und die Aussicht auf das Festmahl wärmte den Menschen das Herz. In all den kleinen Gässchen, die noch am Vortag den Hunden, Schweinen und dem Federvieh gehört hatten, herrschte reges Gewimmel, und sie waren erfüllt von Stimmen sowie einem wogenden Farbenmeer. Sämtliche Schankwirte und Ladenbesitzer hatten geöffnet, Schuster, Harnischmacher, Schneider und Höker und ihre Gehilfen brüllten sich in ihrem Eifer, Kundschaft anzulocken, schier die Kehle aus dem Hals. Diejenigen, die zu arm waren, um einen festen Laden zu unterhalten unter der Last ihrer alten Fetzen gebeugte Lumpensammler, Kerzengießer, die mit flüssigem Wachs oder Talg hantierten, Wasserträger oder Hohlhippenbäcker schlugen ihre Warentische mitten in der Menge auf und plärrten noch lauter. Bauern aus dem Umland liefen zwischen Bürgern umher, die herausgeputzt waren wie Prinzen, machten große Augen angesichts der maßlosen Schamlosigkeit der Freudenmädchen, die über ihre Fensterbrüstungen gebeugt standen, oder brachten ihre letzten Deniers in den einfachen Schänken durch, wo in einem rasenden Rhythmus frische Fässer angestochen wurden. Dieses ganze Volk besudelte sich die Beinkleider mit Schlamm, der in Bächen die Straßen hinunterfloss. Die Kälte, die Feuchtigkeit und der Sprühregen, der die Schieferplatten zum Glänzen und die Strohdächer zum Dampfen brachte, drangen dorthin nicht vor. Die Menschen hielten sich warm. Denn der Wein heizte ihnen ein. Ebenso die Dirnen und das Spiel.
Es handelte sich zwar um keine ganz ungezwungene Fröhlichkeit, doch man fühlte sich beinahe in alte Zeiten zurückversetzt, in die Tage vor dem Krieg. Im Übrigen waren auch wieder Elfen in den Straßen von Loth zu sehen. Wenige nur, gewiss, und im Wesentlichen auf die Gefolgschaft des großen Druiden Gwydion sowie des Prinzen Dorian beschränkt, doch es war trotz allem ein ermutigender Anblick. Zu ihrer großen Verblüffung wurden die blauen Wesen auf ihrem Weg durch die überfüllten Straßen mehr als einmal mit einem vergnügten Puff oder einem Schlag auf den Rücken begrüßt (wobei man einem etwas hitzigen jungen Elfen erst erklären musste, dass dies bei den Menschen vom See Freundschaftsbekundungen waren). Sogar Zwergen lief man mitunter über den Weg. Sie traten noch weniger zahlreich auf, boten dabei allerdings geringeren Anlass zur Freude. Griesgrämig, ungeschlacht und fröstelnd in ihre viel zu schweren Pelze gehüllt, marschierten sie in Gruppen und bahnten sich unter lautem Gejohle
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