Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
regelmäßig beschnitten wurden. Ob sie hier ihr Pfeilgift gewannen? Ein schwerer, süßlicher Geruch ging von ihnen aus.
Nur noch bis zum Hügel, dachte Falrach. Er heftete den Blick fest auf die Hütten. Hinter ihnen erklang ein auf- und abschwellendes Hornsignal. Dennoch zeigte sich niemand außer der Eskorte aus Kobolden, die sie von der Klamm mitgebracht hatten. Einige ihrer Begleiter eilten voraus und öffneten einen Durchlass in der Hecke. Das Bollwerk war fast einen Schritt dick und reichte Falrach bis zur Brust. Dornen, lang wie Koboldfinger, wucherten auf dem dürren Geäst.
Wieder erscholl das Hornsignal. Oblon lief voraus in die Siedlung. »Sie sind Freunde! Kommt heraus. Sie werden für uns kämpfen!«
Das werden wir nicht,
erklang Emerelles Stimme, tief in ihm. Ic
h bin es müde zu kämpfen. Wir rasten hier ein paar Tage. Dann ziehen wir weiter.
»Seht, unsere Retter. Die Alben haben uns endlich erhört. Sie haben uns Riesen geschickt!«
Ein kleiner Junge mit kahlem Schädel steckte den Kopf aus seiner Hütte. Mit weiten Augen blickte er zu Falrach auf und zog sich sogleich mit einem erschrockenen Laut zurück.
Dann teilte sich der Vorhang aus Steinperlen am Eingang, und eine Koboldfrau trat heraus. Die Hände in die Hüften gestemmt, wollte sie ihm ganz offensichtlich den Zutritt verweigern. Die Entschlossenheit, mit der sie zu ihm aufblickte, ließ keinen Zweifel aufkommen.
Sie war so mager, dass ihr Kopf an einen mit Leder bespannten Totenschädel erinnerte. Von der Unterlippe bis zum Kinn zog sich ein Muster aus dunklen Flecken. Ihr strähniges Haar war hochgesteckt und von einer trockenen, mattroten Paste verklebt.
Falrach hatte lange niemanden mehr gesehen, der so mager war wie diese Frau. Jeder Appetit war ihm vergangen. Hier würde er nur trinken. Essen könnte er keines annehmen.
FAST LIEBE
Emerelle streckte sich im kühlen Wasser. Ein Stück oberhalb des Dorfes hatte sie eine Stelle gefunden, wo das Bachbett eine tiefe Senke in den harten Granit geschliffen hatte. Der Bach machte hier einen scharfen Knick; Jahrtausende schleifenden Sandes hatten eine Einbuchtung in den Fels gespült, die mit ein wenig gutem Willen an einen Badezuber erinnerte.
Mehr als eine Stunde war sie schon hier und genoss das Gefühl des fließenden Wassers. Endlich fühlte sie sich frei! Wenn nur der Kummer mit Ollowain nicht wäre. Es gab Gerüchte über ein Orakel hier im verbrannten Land. Genaues wusste sie nicht, und bislang war sie zu stolz gewesen, Oblon zu fragen. Sie traute dem durchtriebenen Schamanen nach wie vor nicht über den Weg, aber sie war sich ganz sicher, mit ihm fertigzuwerden, gleichgültig, was er versuchte.
Sie hatte sich als Königin zu wenig um die entlegenen Landstriche Albenmarks gekümmert. Hier gab es keine Kundschafter oder Vertraute, die gelegentlich zu ihr nach Burg Elfenlicht gekommen wären, um ihr zu berichten. War Kundschafter das richtige Wort? Oder sollte sie ehrlicherweise Spitzel sagen? War sie eine Tyrannin, wenn sie möglichst alles wissen wollte, was in Albenmark geschah, oder eine fürsorgliche Herrscherin?
Sie atmete aus. Diese Dinge gingen sie nichts mehr an. Ereignisse wie in Feylanviek sollten sich nicht wiederholen! Sie war nicht mehr die Königin. Sie durfte sich erlauben, nur an sich zu denken!
Es war ein seltsames Gefühl, von Ollowain gelegentlich einen schmachtenden Blick zu erhaschen. Natürlich war es nicht mehr der Ollowain, den sie einmal geliebt hatte. Und Falrach war auch nicht mehr der, den sie geliebt hatte. Er hatte sich in der veränderten Welt noch immer nicht zurechtgefunden. Würde er es jemals tun? Mehr als vierzig Jahrhunderte waren seit seinem Tod vergangen. Städte, die er einmal gekannt hatte, waren zu Staub geworden. Völker, die einst voller Macht und von Bedeutung gewesen waren, lebten nicht mehr in Albenmark, wie die Kinder der Dunkelalben oder die Elfen von Valemas. Flüsse und Küsten hatten ihren Verlauf verändert. Und wie weit sie sich von dem jungen Mädchen entfernt hatte, das Falrach einst liebte, vermochte sie nicht zu ermessen.
Zumindest äußerlich schien sie sich nur wenig verändert zu haben. Falrach fand sie immer noch begehrenswert. Sie mochte es, wie er sie ansah. Ollowain … Obwohl sie nun schon seit Wochen miteinander reisten, hatte sie ihn noch nicht zum Zuge kommen lassen. War es unmoralisch, sich von ihm lieben zu lassen und an Ollowain zu denken? An wen sonst sollte sie auch denken, würde sie doch in
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