Die Elfen
Die Pferde führten sie an den Zügeln hinter sich her. Beklommen sah Mandred sich um. Die ganze Stadt war eine einzige große Falle. Sie konnten nur hoffen, dass niemand das Gemetzel an der Brücke beobachtet hatte.
Die beiden überquerten einen engen Platz aus gestampftem Lehm. Ein großes Haus mit vermauerten Fenstern beherrschte eine ganze Seite des Platzes. Mit seinem hohen Tor, das auf einen Hinterhof führte, sah es fast wie eine Burg aus.
»Dort stellen wir die Pferde unter«, erklärte Mandred und führte seine Stute durch das Tor. Zum Innenhof zeigten viele Fenster. Misstrauisch sah Mandred sich um. Das Gebäude kam ihm seltsam vor. Kurz konnte er eine junge Frau mit halb geöffnetem Mieder an einem der Fenster sehen. Dann war sie verschwunden. Niemand trat aus der einzigen Tür, die ins Haus führte, oder sprach sie von den Fenstern herab an. Mandred war es nur recht so.
Gegenüber dem Tor lag ein offener Schuppen mit einer langen Werkbank. Holzschuhe stapelten sich auf dem Arbeitstisch. Daneben lag ordentlich aufgereiht ein breites Sortiment Schnitzwerkzeuge: Hobel, Stemm-meißel und Messer mit merkwürdig gekrümmten Klingen. Auch hier war keine Menschenseele zu sehen.
Mandred schlang die Zügel um einen der Eisenringe, die in die Häuserwand eingelassen waren. Dann betrachtete er lange die Fenster, die zum Hof lagen. »Ich weiß, dass ihr uns beobachtet. Wenn die Pferde nicht mehr hier sind, wenn ich wiederkehre, dann komm ich herauf und schneide euch die Hälse durch.« Er griff in den Lederbeutel an seinem Gürtel und zog eine einzelne Münze hervor, die er hochhielt. »Finde ich die Pferde aber getränkt und gefüttert, dann lasse ich dieses Silberstück hier.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, schulterte Mandred die Axt und ging zum Tor hinaus.
»Hast du einen Plan?«, fragte Oleif.
»Natürlich. Mach dir keine Sorgen. Ich weiß genau, was zu tun ist. Wir sollten dem Lärm des Kampfes folgen.«
Sein Sohn runzelte die Stirn. »Gibt es noch einen anderen Plan?«
Mandred winkte ärgerlich ab. »Zu viele Pläne machen nur Kopfschmerzen und führen dazu, dass man gar nichts mehr tut. Ein guter Anführer schwatzt nicht herum, sondern handelt.«
Mandred verfiel in einen leichten Trab. Er hielt sich dicht an den Hauswänden, um für Schützen ein schlechteres Ziel zu sein. Das Klingen der Schwerter war nun ganz nah.
Plötzlich taumelte ein Krieger aus einem Hauseingang. Er hatte einen großen Rundschild mit einem weißen Stierkopf als Wappen um den Arm geschnallt. In der Tür erschien Nuramon. Der Elf presste sich die Hand auf die linke Hüfte. Dunkles Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor.
Ein Fausthieb Mandreds schickte den überraschten Krieger zu Boden, noch bevor er seinen Schild zum Schutz heben konnte.
»Gut, euch zu sehen, Menschensöhne«, krächzte Nuramon. Er ließ das Schwert sinken und lehnte sich erschöpft gegen den Türrahmen. »Kommt.«
Die beiden folgten dem Elfen ins Halbdunkel des Hauses. Sie durchquerten eine verwüstete Küche und stiegen über zwei Leichen hinweg, die die Tür zum Speisesaal blockierten. Auch hier waren alle Läden versperrt, und es fielen nur schmale Lichtstreifen in den Saal. Auf dem langen Esstisch, der den Raum beherrschte, lag Farodin. Ein junger Priester mit flammend rotem Haar stand über ihn gebeugt.
»Du darfst dich nicht bewegen, Herr«, redete der Jüngling in flehendem Tonfall auf den Elfen ein. »Die Wunde wird wieder aufbrechen. Und du hast viel Blut verloren.«
Farodin schob den Tjuredpriester zur Seite. »Herumliegen kann ich, wenn wir aus der Stadt heraus und in Sicherheit sind.«
»Aber du wirst…«, begann der Priester aufgebracht.
Nuramon beruhigte ihn. »Ich werde mich später um seine Wunden kümmern.«
Farodin richtete sich auf und wandte sich an den Menschensohn. »Ihr habt lange gebraucht. Wo steckt Ollowain?«
Mandred wich dem Blick des Elfen aus.
Farodin schnaubte verächtlich. »Das habe ich mir gedacht.« In kurzen Worten erzählte er vom Angriff auf den Tempel und von ihrer Flucht.
»Und Guillaume?«, fragte Oleif, nachdem Farodin geendet hatte.
Der Elf deutete zu den versperrten Fensterläden. »Dort auf dem Tempelplatz.«
Mandred und sein Sohn durchquerten den Saal und spähten vorsichtig durch einen Spalt nach draußen. Überall waren die Krieger des Königs zu sehen. Sie hatten Holz vom eingestürzten Baugerüst rings um die heilige Eiche aufgeschichtet. Von einem der Äste des Baums hingen, mit den
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