Die Elfen
Dann konnte er es spüren, gerade so, als wäre er kurz in einen Quell aus frischem Bergwasser getaucht.
»Dort entlang!« Er deutete auf eine große Düne am Horizont. »Dort werden wir vor Sonnenuntergang .« Er hielt inne und blickte zum nackten Himmel. »Bevor es dunkel wird, werden wir dort Wasser finden.«
Nuramon sagte nichts, er folgte ihm einfach. Jeder Schritt kostete eine Winzigkeit mehr an Kraft. Sie waren so erschöpft, dass sie nicht mehr auf dem weichen Sand zu gehen vermochten, sondern wie Menschen bei jedem Schritt bis zu den Knöcheln einsanken.
Der Düne, die ihr Zielpunkt war, schienen sie kaum näher zu kommen. Oder bildete Farodin sich das nur ein? Dehnte sich die Zeit ins Unendliche, wenn keine Sonne als Maß der verstreichenden Stunden über den Himmel zog? War eine halbe Stunde oder aber ein halber Tag vergangen, als der Himmel schließlich Ton um Ton dunkler wurde?
Als sie endlich die Düne erreichten, waren sie am Rand des Zusammenbruchs. »Wie geht es Mandred?«
»Schlecht.« Nuramon setzte Fuß vor Fuß, ohne innezuhalten oder aufzublicken.
Farodins Schweigen war fordernder als jede Frage.
»Er wird sterben, bevor die Nacht herum ist.« Nuramon blickte immer noch nicht auf. »Selbst wenn wir Wasser fänden, wüsste ich nicht, ob es ihn noch retten könnte.«
Wasser, dachte Farodin. Wasser! Er konnte es fühlen. Es war nicht mehr fern. Müde ging er voran. Die Düne war noch schlimmer als die Ebene. Mit jedem Schritt sanken sie nicht nur tief im Sand ein, sondern rutschten auch ein wenig zurück, als wollte die Düne ihnen verwehren, bis zu ihrem Kamm zu gelangen. Leichter Wind trieb ihnen Sand entgegen, der in den Augen brannte.
Als sie endlich oben ankamen, waren sie zu erschöpft, um sich über den Anblick freuen zu können. Vor ihnen lag ein tiefblauer See, der von tausenden Palmen gesäumt wurde. Seltsame Hallen standen nahe dem Ufer.
Nurmehr zwei niedrige Dünen trennten sie noch von dem Palmhain. Halb rutschend gelangten sie von ihrem Aussichtspunkt hinab. Die Pferde wieherten ungestüm. Nun waren sie es, die die Elfen an den Zügeln hinter sich her zogen. Die Tiere hatten das Wasser gewittert.
Plötzlich schlug etwas neben Farodin in den Sand. Im Reflex wich er zur Seite aus. Ein schwarz gefiederter Pfeil hatte ihn nur knapp verfehlt. Doch nirgends war ein Schütze zu sehen! Nur der Falke war zurückgekehrt, um erneut seine Kreise über ihnen zu ziehen.
Dann war die Luft von einem Sirren erfüllt. Eine ganze Wolke von Pfeilen kam über den Kamm der Düne geflogen. Wenige Schritt entfernt schlugen die Geschosse in den Sand. Sie bildeten eine fast gerade Linie, so als zeigten sie eine Grenze an, die nicht überschritten werden durfte.
Als Farodin wieder aufblickte, erschienen auf dem Dünenkamm vor ihnen Reiter. Es waren mindestens drei Dutzend.
Sie ritten Tiere, wie der Elf sie nie zuvor gesehen hatte. Mit ihren langen Beinen und dem merkwürdig geformten Kopf, der auf einem gebogenen Hals saß, waren sie von so ausgesuchter Hässlichkeit, dass es ihm den Atem verschlug. Sie alle hatten ein weißes Fell, und aus ihrem Rücken wuchs ein gewaltiger Buckel.
Die Reiter trugen lange, weiße Mäntel. Ihre Gesichter waren verschleiert. Manche hatten Säbel gezogen, andere waren mit langen Speeren bewaffnet, von deren Stichblättern bunte Troddeln herabhingen. Am auffälligsten waren jedoch ihre Lederschilde. Sie waren geformt wie ein Paar riesiger, weit aufgespannter Schmetterlingsflügel und ebenso farbenprächtig. Schweigend blickten die Reiter auf die Fremden hinab.
Endlich löste sich einer aus der Gruppe. Geschickt lenkte er sein Reittier die Düne hinunter. Hinter der Linie aus Pfeilen hielt er an.
»Boten, die Emerelle schickt, sind hier nicht willkommen«, erklang eine gedämpfte Frauenstimme. Sie sprach Elfisch!
Verblüfft sahen die Gefährten einander an. »Wer mag das sein?«, fragte Nuramon leise.
Die Reiterin hatte die geflüsterten Worte offenbar verstanden. »Wir nennen uns die Freien von Valemas, denn Emerelles Wort hat in diesem Teil der Zerbrochenen Welt keine Macht. Eine Nacht dürft ihr hier außerhalb der Oase verweilen. Morgen werden wir euch zurück zum Tor bringen.«
»Ich bin Farodin von Albenmark, aus der Sippe des Askalel«, rief er aufgebracht zurück. »Einer meiner Gefährten ist dem Tode näher als dem Leben. Ich weiß nicht, welchen Groll ihr gegen Emerelle hegt, doch eins weiß ich sicher. Wenn ihr uns nicht helft, dann opfert ihr das
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