Die Elfen
Welt gegangen war, dann würde ihre Suche ein schnelles Ende nehmen. Doch Farodin war skeptisch. War es möglich, dass Emerelle nicht um die Bibliothek wusste? Wohl kaum. Also ging sie davon aus, dass alles Wissen dort keine Hilfe war. Mochte es sein, dass sie damit irrte? Die ganze Reise lang hatte er darüber schon gebrütet. Es war müßig, weitere Gedanken daran zu verschwenden. Eine Antwort gab es nur in der Bibliothek.
Leichter Verwesungsgeruch lag in der Luft. Farodin blickte auf. Sie hatten die Stadt fast erreicht.
Die letzte Straßenmeile vor Iskendria war von Gräbern gesäumt. Eine Geschmacklosigkeit, wie sie sich nur Menschen ausdenken konnten, dachte der Elf. Wer wollte von Mahnmalen für Tote begrüßt werden, wenn er eine Stadt besuchte? Grüfte und protzige Mausoleen standen dicht bei der Straße. Weiter in die Wüste hinein wurden die Gräber schlichter, bis sie nur noch aus einem Stein bestanden, der den Ort markierte, an dem man einen Toten im Sand verscharrt hatte.
In den prächtigen Grabhäusern aus Marmor und Alabaster hatte man jedoch offenbar darauf verzichtet, die Leichen der Erde zu übergeben. Farodin wünschte sich, man hätte ebenso viel Mühe darauf verwendet, dicht schließende Sarkophage anzufertigen, wie man aufbrachte, um die Grabhäuser mit Standbildern zu schmücken. Sie zeigten meist recht jugendlich wirkende Männer und Frauen. Kein Wunder, dass man in einer Stadt, die einen mit Leichengestank begrüßte, nicht alt wurde! Glaubte man den Standbildern, dann gab es unter den Reichen der Stadt nur zwei Sorten von Leuten: jene, die gedankenschwer dreinblickten und aussahen, als nähmen sie sich fürchterlich ernst, sowie die anderen, die offenbar aus dem Leben ein Fest machten. Ihre Bildnisse zeigten sie lässig hingestreckt auf Sarkophagen, von denen sie den Reisenden mit erhobenen Weinbechern zuprosteten.
Die neueren Gräber und Standbilder waren in schreienden Farben bemalt. Farodin hatte Mühe zu begreifen, wie Menschen sich zu dem Irrglauben versteigen konnten, man sähe gut aus mit schwarz umrandeten Augen und gewandet in ein orangefarbenes Kleid mit purpurnem Überwurf. Bei den älteren Statuen und Grabbauten hatte der Wüstensand längst die Farbe abgeschliffen. So beleidigten sie das Auge des Betrachters weitaus weniger.
Der morbide Eindruck, den Iskendria auf jeden Reisenden machte, wurde ein wenig abgemildert durch die Frauen, die entlang der Straße standen. Sie empfingen die Gäste der Stadt mit einladendem Lächeln und freundlichen Gesten. Anders als die Wüstenbewohner schützten sie sich nicht durch weite Gewänder und Schleier vor der Sonne. Sie zeigten möglichst viel Haut, sah man davon ab, dass auf ihre Gesichter und Arme dicke Schichten von Puder und Schminke aufgetragen waren. Manche hatten gar gänzlich auf Kleidung verzichtet und sich mit verwirrenden Mustern aus Spiralen und Schlangenlinien bemalt.
Mandred, dem diese Art von Willkommensgruß offensichtlich vertraut war, winkte den Frauen zu. Er war bester Stimmung. Breit grinsend verdrehte er den Kopf, um ja keinen Blick auf die Frauen zu versäumen.
Pfeilgerade führte die mit großen Steinplatten gepflasterte Straße auf die Mauern von Iskendria zu. Ein wenig vor ihnen zog eine Karawane. Sie bestand aus jenen hässlichen Tieren, welche die Menschen Kamele nannten, und einer kleinen Gruppe von Kaufleuten, die aufgeregt schnatterten. Plötzlich scherte einer von ihnen aus und sprach eine Frau mit unnatürlich rotem Haar an. Sie saß mit weit gespreizten Beinen auf dem Grabsockel eines marmornen Zechers. Nach kurzem Feilschen drückte er ihr etwas in die Hand, und die beiden verschwanden hinter einem halb verfallenen Mausoleum.
»Ich frage mich, was hier ein Ritt so kostet?«, murmelte Mandred und sah den beiden nach.
»Warum willst du reiten? Haben dir die letzten…« Nuramon stockte. »Du meinst doch nicht… Sind das etwa . Wie nanntest du sie? Huren? Ich dachte, man findet sie in großen Häusern, wie in Aniscans.«
Mandred lachte herzhaft. »Nein, auch in Aniscans gab es reichlich Huren auf den Straßen. Dir fehlt einfach der Blick dafür. Oder es liegt an der Liebe. Noroelle ist schon etwas anderes als diese Huren.« Er grinste. »Obwohl einige von ihnen ausgesprochen hübsch sind. Aber wenn einen die Liebe wärmt, dann sucht man nicht anderswo nach Sinnenfreuden.«
Es ärgerte Farodin, dass ihr menschlicher Gefährte Noroelle und diese angemalten Weibsbilder in einem Atemzug nannte. Das war
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