Die Elfen
seltsam angewinkelt und ruhten auf seinem Schoß. Die Hände waren offen, so als erwartete er, dass man dort Gaben ablegte. Und tatsächlich führte eine hölzerne Rampe hinauf zu diesen Händen. Der Mund der Statue war weit aufgerissen, so als wollte sie schreien. Heller Rauch quoll daraus hervor.
Hinter dem Götterbild erhob sich ein Tempel, dessen himmelhohe Säulen purpurfarben bemalt waren und von goldbeschlagenen Kapitellen gekrönt wurden. Der Tempelgiebel zeigte ein in grellen Farben bemaltes Hochrelief. Dort sah man Balbar durchs Meer waten. Seine riesigen Fäuste zerschmetterten Galeeren.
Auf den Stufen zum Tempel hatte sich die Priesterschaft versammelt. Sie sangen ein Lied von düsterer Feierlichkeit. Obwohl Farodin keines der Worte verstand, lief es ihm kalt den Rücken herunter.
Die Sänfte war am Fuß der Statue abgestellt worden. Die Trommler beschleunigten nun ihren Rhythmus.
Rings herum auf dem Platz standen tausende Menschen. Sie stimmten in den monotonen Gesang der Priesterschaft ein. Farodin sah aus den Augenwinkeln, dass Nuramon ganz blass geworden war. Selbst Mandred war still; jedes Lächeln war aus seinem Gesicht geschwunden.
Die beiden glatzköpfigen Priester, die auf der Sänfte gestanden hatten, führten das junge Mädchen die hölzerne Rampe hinauf. Sie wirkte wie eine Schlafwandlerin.
Zu dritt traten sie zu den offenen Handflächen der Götterstatue. Die Priester zwangen das Mädchen in die Knie. Sie legten ihr Ketten um die Schultern, die sie in eisernen Ösen auf den Handflächen des Gottes einhakten. Der Blütenkranz, der ihr Haar schmücken sollte, fiel herab. Teilnahmslos kauerte sie dort, gefangen in ihrem Rausch und stummer Ergebenheit. Eine Priesterin mit langem, offenem Haar brachte eine goldene Kanne. Sie salbte die Stirn des Mädchens. Dann goss sie den Inhalt der Kanne über ihre Gewänder.
Als sie gemeinsam mit den beiden anderen Priestern von den Handflächen des Götzenbildes zurück auf die Rampe trat, beschleunigte sich noch einmal der Trommelschlag. Schmerzhaft schrill erklangen die Zimbeln. Der monotone Gesang wurde noch lauter.
Plötzlich ruckten die Arme der Statue nach oben. Alles Lärmen verstummte. Die beiden Handflächen der Gottheit schlugen vor das weit aufgerissene Maul, in dem das Mädchen verschwand. Schlagartig verstummten Gesang und Trommelschlag. Man hörte einen gedämpften Schrei. Dann senkten sich die Arme wieder. Festgehalten von den schweren Ketten, hockte das junge Mädchen auf den offenen Handflächen des Gottes. Ihre Haare und das Gewand brannten lichterloh. Schreiend wand sie sich in ihren Fesseln.
Mandred starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das brennende Mädchen, während Nuramon sich abwandte und den Platz verlassen wollte. Doch ihr selbst ernannter Führer stellte sich ihm in den Weg. »Tu das nicht«, zischte er.
Schon blickten einige der Gläubigen ärgerlich in ihre Richtung.
»Wenn du gehst, dann beleidigst du Balbar. Ich habe euch doch erzählt, was die Priester mit Frevlern machen. Sieh zu Boden, wenn du den Anblick nicht ertragen kannst, aber mach dich jetzt nicht davon. Bete zu Tjured, Arkassa oder an wen immer du glaubst.«
Die Schreie des Mädchens wurden leiser. Schließlich sackte sie sterbend nach vorne. Wieder stimmten die Priester ihren düsteren Gesang an. Langsam löste sich die Menschenmenge auf.
Farodin war übel. Was für ein Gott war das, dem man mit so unbeschreiblicher Grausamkeit huldigte?
»Jetzt können wir gehen«, sagte Zimon nüchtern. »Niemand ist gezwungen, an den Opferfeierlichkeiten teilzunehmen. Man kann diese Barbarei ganz gut meiden. Ich lebe nun schon zwei Jahre hier und verstehe die zwei Gesichter Iskendrias immer noch nicht. Es ist eine Stadt der Kunst und Kultur. Ich bin Bildhauer. Nirgendwo anders weiß man meine Arbeiten so zu schätzen wie hier. Die Reichen sind ganz versessen darauf, Standbilder von sich anfertigen zu lassen. Es gibt wunderbare Feste. In der Bibliothek streiten die Gelehrten der ganzen Welt um Fragen der Philosophie. Aber hier auf dem Tempelplatz verbrennt man jeden Tag ein Kind. Man kann einfach nicht glauben, dass das dieselben Leute sind.«
»Jeden Tag?«, fragte Mandred ungläubig. »Warum tun sie das? Das ist doch…« Er hob hilflos die Hände. »Das ist…«
»Vor siebzig Jahren wurde die Stadt von König Dandalus von den Aegilischen Inseln belagert. Seine Flotte brachte ein riesiges Heer vor die Mauern der Stadt. Sie bauten Katapulte und fahrbare
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