Die Elfen
womöglich eines Albensterns bedienen.
Am Ende eines langen Ganges blieb Thorwis stehen, öffnete eine Tür zu seiner Rechten und trat ein. Nuramon folgte ihm und fand sich in einem leeren Saal wieder, der gemessen an den Hallen und Gängen recht klein war. Zur Linken fehlte die Wand, sodass man von hier aus das Tal überblicken konnte. Das Tageslicht warf seinen Schein bis auf das gegenüberliegende Wandmosaik aus Edelsteinen, welches ein Abbild des Tales zeigte.
»Entschuldige mich!«, sagte Thorwis und verschwand durch eine Tür, die sich in das Edelsteinbild einfügte.
Nuramon fragte sich, wie die Zwerge ihn wohl einschätzten. Offenbar glaubten sie, dass er etwas von ihnen wollte, das es rechtfertigte, ihn in diesem prachtvollen Teil des Königreiches zu empfangen. Ihm hätte es ausgereicht, unten in der Haupthalle jemanden zu finden, der den Mut hatte, sich gemeinsam mit ihm auf die Reise zum Orakel zu begeben.
Er trat an die offene Wand und blickte hinab ins Tal. Die Wolken flogen niedrig über den blauen Himmel, und Nuramon hatte das Gefühl, dass sie Gesichter darstellten, die ihn anlachten. Vom Wind, der die Wolken dort draußen anschob, spürte Nuramon hier nur einen sanften Hauch. Er hielt seine Hand ins Freie und spürte, wie er durch etwas Unsichtbares hindurch griff. Draußen streifte der Wind seine Finger. In seinem Haus in Albenmark wirkte ein ähnlicher Zauber. Alaen Aikhwitan sorgte dort dafür, dass kein Luftzug durchs Haus wehte, und in der Burg der Königin wirkte dieser Zauber in der Decke ihres Thronsaals. Wieder hatte er eine Ähnlichkeit zwischen den Zwergen und den Elfen entdeckt.
Plötzlich öffnete sich die Tür in der Edelsteinwand, und herein kam ein Zwerg in einem edlen Kettenhemd und einem grünen Mantel. Er trug eine schmale Krone. Ihm folgten Thorwis und einige andere vornehme Zwerge, manche davon Krieger.
Der König hatte Nuramon noch nicht gesehen, sondern sprach mit seinen Kriegern. »Ich möchte, dass dort nicht länger gegraben wird! Und sag ihnen, dass ich…« Der König hielt inne und betrachtete Nuramon.
Thorwis trat an die Seite seines Herrn. »Dies ist der Gast, von dem ich dir berichtet habe.«
Der König wandte sich halb zu den Kriegern, behielt Nuramon aber im Blick. »Geht und tut, was ich gesagt habe!«, befahl er. Dann wandte er sich zu Thorwis. »Du hast mir nicht gesagt, dass es ein Elf ist.«
»Ich wollte dich überraschen. Schau doch!«
Der Zwergenkönig trat gemessenen Schrittes an Nuramon heran. Er hatte graues Haar und trug einen Bart mit kunstvoll geflochtenen Zöpfen. Dicht vor Nuramon blieb er stehen und sah ihn mit großen Augen an.
Nuramon verbeugte sich vor dem König und kam sich dabei merkwürdig vor, musste er doch noch immer zum Herrscher der Zwerge hinabblicken. »Mein Name ist Nuramon. Ich komme aus Albenmark und bin in dieser Welt auf Reisen.«
Der König wandte sich an Thorwis. »Hast du das gehört?« Er schien es nicht fassen zu können, einen Elfen vor sich zu haben.
»Ja, mein König.« Der Alte wandte sich an Nuramon. »Dies ist Wengalf, König der Zwerge und Herrscher von Aelburin.«
»Ich wusste, dass du kommen würdest. Ich wusste nur nicht, wann«, erklärte König Wengalf.
Nuramon war darüber nicht allzu verwundert. Wie Emerelle oft wusste, was sich zugetragen hatte, was sich gerade anderswo zutrug und was sich einst irgendwo zugetragen haben mochte, so blickte vielleicht auch der König der Zwerge in ferne Zeiten und sah, was geschehen mochte.
»Was führt dich zu uns?«, fragte Wengalf.
»Ich bin auf der Suche nach einer Elfe und hoffte, dass mir das Orakel Dareen dabei helfen könnte. Doch der Weg zu ihr ist mir versperrt. Nur mit der Hilfe eines Zwerges vermag die Pforte geöffnet zu werden.« Nuramon beschrieb Dareens Pforte im Einzelnen und erzählte, wie es ihm dort ergangen war.
Wengalf tauschte einen Blick mit Thorwis, was der Alte als Zeichen nahm, das Wort an Nuramon zu richten. »Wir kennen das Orakel der Dareen. In jener Zeit, da wir Albenmark verließen, gingen auch andere Albenkinder fort, um in dieser Welt ihren Platz zu finden. Zwerge und Elfen begegneten sich eines Tages und entdeckten Dareen jenseits eines Tores, das an einen fernen Ort in dieser Welt führt. Und sie sagte uns, wie wir die Pforte schließen sollten. In alten Tagen nutzten wir dieses Tor oft. Doch die Elfen zogen sich zurück. Manche versteckten sich in verzauberten Wäldern, andere schufen sich ihr Reich in der Zerbrochenen Welt.
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