Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
müsse zuvor die damaligen Vorgänge prüfen.«
    »Was nur heißt, dass sie einen stattlichen Preis festlegen wollen.«
    Abt Theodoricus nickte. Es gehörte zu den üblichen Gepflogenheiten, Gelübde gegen Geldzahlungen aufheben zu lassen.
    »Dann kann ich meine Hoffnung begraben, Theo. Denn wer sollte wohl das Geld dafür aufbringen?«
    »›Wer auf den Wind achtet, der sät nicht, und wer auf die Wolken sieht, der erntet nicht. Gleichwie du nicht weißt, welchen Weg der Wind nimmt und wie die Gebeine im Mutterleib bereitet werden, so kannst du auch Gottes Tun nicht wissen, der alles wirkt.‹«
    »Jetzt fängst du auch noch mit dem Prediger an...«, murrte Ivo, aber die Bitterkeit in ihm war plötzlich verflogen.

32. Kapitel
    I ch verstehe das nicht! Bertram hat doch so gerne an meinem Unterricht teilgenommen. Und normalerweise erholt er sich von seinen Anfällen auch recht schnell!«
    Clara saß neben Almut und wischte mit dem Brot den Rest des würzigen Gemüsebreis aus der Schüssel, den Gertrud bereitet hatte. Die Gräten der Heringe häuften sich auf der Platte mitten auf dem Tisch.
    »Vielleicht muss er seiner Mutter helfen. Susi hat sie nach Hause geschickt, als sie so schrecklich zu husten anfing«, mutmaßte Almut.
    »Die Pastetenbäckerin ist höllisch verschnupft!«, stellte Gertrud fest, die einen frischen Krug Apfelwein herbeibrachte. »Sie hat mich angeblafft, ich solle mich um meinen Kram kümmern, als ich heute Morgen bei ihr vorbeischaute und mich nach dem Jungen erkundigte. Hat eine von euch sie verärgert?«
    »Ich habe sie seit dem Montag nicht mehr gesprochen!«, wehrte Almut ab. »Und da war sie noch recht dankbar, dass wir uns um Bertram gekümmert haben.«
    »Sie wird sich wieder beruhigen. Die Anfälle ihres Sohnes machen ihr immer zu schaffen«, fügte Bela hinzu. »Brauchst du mich heute bei deiner Kathedrale, Almut?«
    Almut lachte leise und schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich komme so zurecht.«
    »Gut, ich habe nämlich in der Stadt zu tun.«
    Bela erhob sich, und auch die Seidweberinnen standen auf, um an ihre Webstühle zu gehen. Ursula und Rigmundis räumten den Tisch ab, und Clara ging mit Almut zu ihrem Häuschen.
    »Sag mal, Clara, wie verhält sich Bertram eigentlich unseren Schülerinnen gegenüber?«
    »Höflich. Warum fragst du?«
    »Keine besonderen Vorlieben, heimlichen Liebäugelein, Neckereien oder so etwas?«
    »Nein. Pitter, der neckt sie alle, und mit der Fidgin hat er auch schon versucht zu tändeln. Aber Bertram scheint kein großes Interesse an den Mädchen zu haben. Für einen jungen Burschen recht ungewöhnlich, wenn ich es recht bedenke.«
    »Er ist ziemlich in sich gekehrt. Ich glaube, ihn belastet seine Krankheit sehr.«
    »Armer Kerl.«
    Almut nickte und ging in ihre Kammer, um ihren Arbeitskittel überzuziehen. Es war noch immer sonnig und trocken und sogar schon frühlingshaft warm, sodass sie bald die Ärmel aufrollte und den Saum des Gewandes in den Gürtel steckte. Mit bis zu den Knien bloßen Beinen machte sie sich frohgemut daran, ein paar Ecksteine zurechtzuschlagen, um sie der Fensteröffnung anzupassen. Dabei traf unglücklicherweise ein Steinsplitter schmerzhaft ihre Schläfe, und sie stieß eine äußerst unmutige Bemerkung aus.
    »›Wer Steine bricht, kann sich dabei wehe tun, und wer Holz spaltet, kann dabei verletzt werden!‹, mahnt der Prediger.«
    Aller Unmut verflog augenblicklich, und Almut drehte sich so schwungvoll auf dem Gerüst um, dass ihre Röcke flogen und sie beinahe das Gleichgewicht verlor.
    »Pater Ivo!«
    »Begine!«
    »Wie schön, Euch wiederzusehen!«
    »Ob schön, das fragt sich. Notwendigkeit ist es, scheint’s, denn Ihr habt Euch entgegen aller Versprechen in Schwierigkeiten gebracht. Bedeckt Eure Reize und steigt zu mir hinab!«
    »Reize? Oh...«
    Hastig zog Almut den Saum aus dem Gürtel und rollte die Ärmel hinunter. Dann stand sie vor ihm und sah zu ihm hoch. Ihr Herz machte einige unruhige Hüpfer, und ihre Wangen brannten, aber sie hielt dem Blick aus den kühlen grauen Augen stand. Es lag, trotz der barschen Worte, kein Groll darin, sondern eine ungewohnte Weichheit.
    »Theodoricus hat mir Eure Einmischungen in das Leben unserer Brüder geschildert und mir den Auftrag gegeben, mich mit Euch zu treffen. Können wir uns darüber unterhalten?«
    »Hat er sich beschwert?«
    »Nicht ausdrücklich.«
    »Gehen wir ins Refektorium.«
    Sie setzten sich gegenüber an die Längsseite des langen Tisches, an deren oberem Ende

Weitere Kostenlose Bücher