Die elfte Jungfrau
Ihr macht auch Maurerarbeiten wie ein Mann. Ihr lest auch die Bibel. Ihr habt auch einen höllisch festen Griff!«
Der Päckelchesträger rieb sich erinnerungsschwer ein Ohr.
»Gnadenreiche Jungfrau, auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen.«
»Oder vielleicht ist er auch närrisch. Ja, verrückt muss der Mörder auf jeden Fall sein, wenn Ihr mich fragt.«
»Das muss er wohl.«
Almut stützte trübsinnig das Kinn in die Hände. Gertrud, die die beiden bislang ungestört gelassen hatte und verschiedenen Verrichtungen in der Vorratskammer und am Herd nachgegangen war, stellte vor Pitter nun einen Deckelkrug.
»Nimm das deiner Mutter mit. Und friss es nicht unterwegs auf«, rumpelte sie ihn an.
»Wenn ich noch einen Happen Schmalzbrot bekomme, ist die Versuchung geringer!«
»Happen. Was dieser Junge unter Happen versteht, macht gewöhnlich eine fünfköpfige Familie satt!«
Eine dicke Scheibe, reichlich mit Griebenschmalz bestrichen, wurde Pitter auch noch überreicht.
»Knapp!«, bestätigte er mit einem Grinsen und biss hinein. »Ich komm’ vorbei, wenn mir noch was einfällt, Frau Almut. Oder wenn mein Magen knurrt.«
»Letzteres wird wohl vor dem Ersteren eintreten!«, meinte sie und zupfte ihn am Ohr.
Als er gegangen war, setzte sich Gertrud auf seinen Platz.
»Du handelst dir schon wieder Ärger ein.«
»Nein.«
»Wetten?«
»Gertrud, ich mache mir Sorgen um Trine, das ist alles!«
»Hm, ja. Ich habe euch beiden zugehört. Wahrscheinlich hast du Recht, Almut. Du hast ein Gespür für Schwierigkeiten. Hast du ja schon bei diesem entlaufenen Nönnchen Angelika bewiesen und auch bei dieser Aushilfsköchin!« Nachdenklich spielte die Köchin mit dem Löffel, den Pitter sauber abgeleckt in die leere Schüssel gelegt hatte. »Du versuchst, eine Verbindung zwischen den Mädchen herzustellen. Dieser verfressene Junge ist eine gute Quelle für allerlei Auskünfte. Aber jetzt lass die Sache für heute ruhen, dann fällt dir später sicher mehr dazu ein. Zur Abwechslung könntest du jetzt endlich dein Versprechen einlösen.«
Almut blickte Gertrud erstaunt an.
»Wir besuchen die Adler-Wirtin. Du hast es ihr letzte Woche zugesagt. Und mir hat sie ein Rezept für gesottenen Karpfen in Mandelmilch versprochen. Für die Fastentage. Ich hingegen wollte ihr etwas von unserem Sauerteig mitbringen. Den habe ich mit Lenas Teig vermischt. Ich finde das Brot daraus ja ganz schmackhaft.«
»Ich auch, Gertrud, ich auch. Vor allem, weil du in dem neuen Backes so eine schöne knusprige Kruste erzielst.«
»Na ja. Ist der Backes also der Grund?«
»Klar!«, antwortete Almut in Pitters Tonfall, und Gertrud schnaubte.
»Lass uns gehen!«
In der Gaststube »Zum Adler« herrschte reger Betrieb. Die bevorstehenden Lustbarkeiten zur Fastnacht hatten etliche Besucher in die Stadt getrieben. Aus dem blubbernden Kessel im Kamin schöpfte die Wirtin eifrig eine dicke, würzige Suppe in Holzschalen, zwei Mägde liefen mit Bierkrügen zwischen den Tischen und Bänken umher und füllten die Becher auf. Ein Musikant mit einer Drehleier saß in der Nähe des Kamins und dudelte auf seinem Instrument eine beschwingte Weise. Es hörte ihm niemand zu.
»Versuchen wir, uns der Wirtin bemerkbar zu machen!«, schlug Almut mit erhobener Stimme vor, um sich bei dem Gelärme verständlich zu machen.
»Sicher ist es einfacher, durch die Hintertür in die Küche zu gelangen!«
Gertrud schüttelte energisch eine vorwitzige Hand ab, die ihr an die Röcke gegriffen hatte.
Sie machten auf dem Absatz kehrt und gingen über den Hof der Schmiede zum hinteren Eingang. Auch hier brannte ein lustiges Feuer auf dem Herd, und auf einem Grillspieß steckte eine Schweinerippe. Körbe mit getrockneten Erbsen und Bohnen standen auf den Borden, Zwiebelstränge hingen an den Pfosten, und von einem Seil, das unter den Dachsparren gespannt war, baumelten Büschel getrockneter Kräuter. Eine ältere Frau walkte Teig und sah etwas erschrocken auf, als Almut sie ansprach.
»Die Wirtin hat viel zu tun!«, wehrte sie ihren Wunsch ab, Franziska aus dem Schankraum zu holen.
»Sie wird schon Zeit für uns finden. Richtet ihr aus, Frau Gertrud und Almut vom Beginenhof sind hier.«
»Na, wenn Ihr meint!«
Doch Almut irrte sich nicht. Ihre Freundin stob mit einem Quietschen in die Küche und umtanzte die beiden Beginen.
»Wie mich das freut, wie mich das freut! Die Suppe kann auch die Helga austeilen. Setzt Euch.«
»Und, Franziska, nun seid Ihr schon
Weitere Kostenlose Bücher