Die elfte Jungfrau
eine ganze Woche lang verheiratet. Wie bekommt Euch denn das?«
Mit geröteten Wangen, aber blitzenden Augen zog sich Franziska einen Schemel herbei.
»Na ja, nach den ersten Schwierigkeiten geht es jetzt ganz gut.«
»Schwierigkeiten? Habt Ihr etwa Euren Gemahl wieder gekratzt und gebissen?«
»Aber nein, nein. Nur - dieser Lausebengel Pitter und seine Kumpanen, die haben sich um unser Wohlergehen gesorgt. Sagt er.«
»Ach ja, wie fürsorglich von ihm!«
»Ich und Simon waren da allerdings anderer Meinung!«
»Was hat er angerichtet?«
»Uns einen Sack lebende Hühner ins Schlafgemach gesteckt. Kaum hatten wir es betreten, stoben vier flatternde und kreischende Hennen und zwei empörte Hähne um uns herum. Simon fing ein Wesen dazwischen ein, das zwar bedeutend größer war als das Geflügel, aber nicht weniger lärmte. Es war Pitter, und in seiner Hand hielt er noch den Sack und das Seil, mit denen sie das Federvieh in das erste Stockwerk gezogen hatten.«
»Heilige Sankt Martha!«, machte Almut die kleine Köchin nach und grinste bei der Vorstellung des Geschehens. »Ich hoffe, er hatte eine gute Ausrede bei der Hand, der Päckelchesträger.«
»Oh, die hatte er. Er sagte, er habe dem Pfarrer neulich gut zugehört. Der hat aus dem Buch Tobias erzählt und beschrieben, wie gefährdet der Mann in der Hochzeitsnacht ist. Der Dämon Asmodis lockt den Triebhaften auf das Brautlager, um ihm die Seele und das Leben zu nehmen. Wenn die Höllenbrut jedoch andere Lebewesen vorfindet, so fährt sie in ihren Leib ein, und der Mann bleibt verschont.«
»Der Dämon sollte also den Hühnern in den Leib fahren...«
»...und wir Enthaltsamkeit üben. Tobiasnacht nannte er das, der Schlingel. Aber die Hühner haben eine ganze Woche keine Eier mehr gelegt vor lauter Furcht!«
»Hätten ja sonst auch Dämonen ausgebrütet!«, konnte Almut sich nicht verkneifen zu unken.
»Heilige Jungfrau, glaubt Ihr?«
»Almut hat ein loses Mundwerk, Frau Franziska. Hört nicht auf sie. Hier, ich habe Euch einen schönen Sauerteig mitgebracht.«
Franziska schenkte ihren Gästen und sich aus einem Krug einen kräftigen Rotwein ein, und ein lebhafter Austausch von Küchenlatein begann. Almut nippte an ihrem Becher und lehnte sich geduldig zurück. Gertrud gelang es nach einer geraumen Weile, die enthusiastische kleine Köchin in ein Gespräch über die Stammgäste zu verwickeln, dem sie mit großer Aufmerksamkeit zuhörte. Es zeigte sich, dass die Wirtin ein gutes Gedächtnis für Namen und Gesichter hatte und sich auch den allgemeinen Tratsch recht gut merkte. Viel Neues hingegen erfuhr sie nicht, und darum mischte sie sich nach einer Weile ein und fragte: »Der Bruder Jakob, ist der häufig bei Euch?«
»Ein-, zweimal die Woche, ja. Er trinkt seinen Schoppen oder einen Krug Bier und schäkert mit den Mägden. Manchmal schwatzt er auch mit den Reisenden oder spielt ein Brettspiel mit den Gästen. Aber er benimmt sich immer sehr gesittet. Übrigens ist er, kurz bevor Ihr mich rufen ließet, eingetreten.«
»Das trifft sich, Franziska. Ich muss unbedingt über eine Angelegenheit mit ihm reden. Könntet Ihr ihn wohl für einen Moment hier zu uns bitten?«
Franziska eilte beflissen in die Schankstube und kehrte mit Bruder Jakob zurück. Wieder blendete die farbenprächtige Gewandung die Augen der Frauen, und mit einem höflichen Nicken begrüßte sie der Benediktiner.
»Frau Almut, welch Entzücken, Euch zu sehen. Ist es die Wärme der Küche, die Eure Wangen so einnehmend rötet, oder die Freude, mich wiederzusehen?«
»Wohl die Wärme, Bruder Jakob, obwohl ich wirklich froh bin, Euch zu treffen. Sagt, Ihr besucht doch gelegentlich die Nonnen von Rolandswerth, wenn ich mich recht entsinne?«
»Ja nun, ich helfe der Äbtissin hin und wieder bei der Verwaltung der Pfründe. Obwohl sie eine recht geschäftstüchtige Frau ist und selbst damit gut zurechtkommt. Und manchmal leihe ich mein Ohr auch den anderen kleinen Sorgen unserer Schwestern im Herrn.«
»Vor einem halben Jahr, Bruder Jakob, entfloh eine junge Nonne mit Namen Angelika den klösterlichen Mauern und fand bei uns Unterschlupf. Es hat mich schon immer interessiert, was aus ihr geworden ist.«
»Ah, ich erinnere mich. Ein trauriger Fall, Frau Almut. Ein ganz trauriger Fall. Das arme, irregeleitete Mädchen kehrte zu den Nonnen zurück, schwanger, wie Ihr wisst, und mit schlimmer Schuld beladen. Ach, sie hat gelitten und wurde erlöst. Sie starb im Kindbett, just vor zwei
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