Die Enden der Parabel
und mit seiner ungeschickten Hand so manche Strähne unter dem weinroten Band herausrupft - was soll das werden! 'ne richtig scharfe scharlachrote knappbestrumpfte Sklavenmädchen-Supernummer hier mitten in den winterbleichen Klinikhallen, wo Rumbamusik aus dem fernen Grammophon mit Schlagbaß, Holzblock, ausgelaugten Noten tropischer Streicherkadenzen in das Schleifen der Füße auf den teppichlosen Böden klingt und das palladianische Gehäuse, die Muschel mit den tausend Zimmern, den Schall durch Wände und Gebälk in Vor- und Nachschlag synkopiert und bricht ... die dreiste Maud, wie soll er's glauben, schon nimmt sie, den Kopf zurückgeworfen wie ein Schwertschlucker, den rosigen Pawlowianerschwanz rhythmisch auf Lunge, läßt immer dann, wenn sie ihn freigibt, ein kleines damenhaftes Schmatzen hören und blumengleich den Duft von altem Scotch aufsteigen, greift ihm mit beiden Händen in den schlabbernden, wollenen
Hosenboden und knetet und massiert - es geht alles so schnell, daß Pointsman nur noch schwanken kann, ein wenig besoffen blinzelt und nicht mehr weiß, ob er jetzt träumt oder endlich die ideale Kombination gefunden hat, was war's doch gleich, Amphetaminsulfat, 5 mg alle sechs Stunden, Natrium Amobarbital, 0,2 g zum Einschlafen vergangene Nacht, heute zum Frühstück Vitaminpillen assortiert, der Alkohol, geschätzt eine Unze stündlich für die vergangenen... wie viele Kubikzentimeter macht das und oh, mein Gott, ich komme! Komme ich? Ja ... allerdings ... und Maud, die liebe Maudie, sie schluckt's, vergeudet keinen Tropfen ... und lächelt milde, als der Stöpsel endlich raus ist, bettet den schlafenden Spatzen zurück in sein kaltes Junggesellennest, aber verweilt noch kniend in der Kammer dieses Augenblicks, dieses zugigen, weißbeleuchteten Augenblicks, um irgendein Stück von Ernesto Lecuona zu hören, wahrscheinlich "Siboney", das nun durch Korridore zu ihr dringt, die endlos lang sind wie die Schiffahrtsstraßen zurück zu den grünen Küsten, den rutschigen Steinzinnen, den Palmenabenden von Kuba ... eine viktorianische Pose, ihre Wange an sein Bein gelehnt, seine äderige Hand an ihrem Gesicht. Doch keiner hat sie gesehen, jetzt oder je, und in dem Winter, der vor ihnen liegt, werden sich ihre Blicke manchmal kreuzen, wird sie so rot werden wie ihre Knie, wird ihn ein- oder zweimal in seinem Zimmer neben dem Labor besuchen, und doch wird es nie wieder so sein wie eben, so tropisch plötzlich mitten im angehaltenen Atem des Krieges, des englischen Dezembers, in diesem Augenblick vollkommenen Friedens ...
Und keiner da, dem er davon erzählen könnte. Maud weiß zwar, daß etwas im Gange ist, die PISCES-Gelder gehen durch ihre Hände, und übersehen tut sie nichts. Aber er kann ihr unmöglich erzählen ... nicht alles jedenfalls, nicht den genauen Wortlaut seiner Hoffnung, den hat er niemals, nicht einmal zu sich selber... im Dunklen liegt er vor ihm, ex negative definiert, in einem Grauen, daß all sein Hoffen schon gescheitert sein, daß
nur sein Tod noch auf ihn warten könnte, ein leerer, wortloser Witz am Ende der Pawlowianischen Pilgerfahrt.
Auch Thomas Gwenhidwy spürt die Veränderung, die in den Zügen und im Gang seines Kollegen vibriert. Beleibt, schlohweißer, vorzeitig ergrauter Rauschebart, ein wirscher, zerzauster Showman, der ständig den Hanswurst spielt und mit zwei Zungen zu reden versucht, walisischer Provinzkomödiant und Verkünder von knallharten Wahrheiten, die keiner hören will, man kann es sich aussuchen. Er hat eine unglaubliche Gesangsstimme. In seiner Freizeit spaziert er gern hinter das Maschennetz der Jägerpisten und lauert auf den Start von größeren Maschinen - er liebt es, die Baßpartie von "Diadem" zu üben, während die Fliegenden Festungen mit Vollast abheben, und selbst dann noch kann man ihn, markerschütternd und glockenrein, bis hinüber nach Stoke Poges hören, das stelle man sich vor! Sogar aus Luton Hoo in Bedfordshire hat einmal eine Lady an die Times geschrieben,, um sich zu erkundigen, wer denn der Mann mit der wunderbaren tiefen Stimme wäre, der dauernd "Diadem" singe. Eine Mrs. Snade. Gwenhidwy trinkt gern und viel, meistens Äthylalkohol, den er sich zu sagenhaften Wahnsinnigen-Wissenschaftler-Gebräuen zusammenmixt, abwechselnd mit Rindfleischbrühe, Johannisbeer- oder Hustensirup, mit bitteren, rülpsenmachenden Infusionen aus Valerianswurzel, Beifuß und Frauenschuh, was er halt gerade zur Hand hat. Er ist genau der rüstige
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