Die Enden der Parabel
als der Mond der Astrologen... "Du mußt nichts sein, was du nicht bist, Peter. Ich wäre nicht hier, wenn ich dich nicht so liebte, wie du bist... "
Hat sie ihn denn auf die Straße getrieben, war sie sein Tod? Von drüben aus gesehen scheint ihm, nein. In der Liebe können Wörter zu viele Bedeutungen annehmen, das ist alles. Aber dennoch hat er das Gefühl, daß er aus einem ganz bestimmten Grund über die Grenze geschickt worden ist...
Und da ist Ilse, die ihn mit ihren dunklen Augen becirct. Sie kann seinen Namen sagen, aber oft, um mit ihm zu flirten, weigert sie sich oder nennt ihn Mama. "Nicht doch, das da ist Mama. Ich bin Peter. Weißt du nicht mehr? Peter." "Mama."
Leni blickt stumm, ein Lächeln auf den Lippen, das ihm fast selbstgefällig vorkommt, und läßt die Wortverwechslung einen männlichen Widerhall in ihm erzeugen, der ihr nicht verborgen bleiben kann. Warum nur, wenn sie ihn nicht auf der Straße will, schweigt sie in solchen Augenblicken?
"Ich war nur froh, daß sie nicht mich Mama genannt hat", glaubt Leni zu erklären. Doch ihm streift das zu sehr an Ideologie, kann ihm nicht mehr genügen. Er hört in solchen Reden nur Parolen, hat nicht gelernt, sie mit dem revolutionären Herzen zu verstehen, und ihm bleibt ja auch keine Zeit, sich aus der rauhen, kameradschaftlichen Liebe der Genossen noch ein revolutionäres Herz zu bilden, nein, keine Zeit für so was, keine Zeit für irgend etwas anderes als einen letzten Atemzug, den kalten Atemzug eines Mannes, der auf der Straße Angst kriegt, auch keine Zeit, die Angst auf die althergebrachte Weise loszuwerden, denn da kommt Schutzmann Joche, den Knüppel schon im Rückschwung, und findet's dämlich, wie sich dieses Stück Kommunistenkopf in sein Blickfeld schiebt, so ahnungslos von ihm und seiner Macht ... der erste Lichtblick dieses Tages für den Schutzmann ... oh, und sein Zeitgefühl läßt ihn nicht im Stich, er spürt's in seinem Arm und draußen, im Knüppel, der nicht mehr schlaff an seiner Seite hängt, sondern jetzt straff in muskulöser Kurve hochschwingt zum Scheitelpunkt, dem Gipfel seiner potentiellen Energie ... tief unter ihm die graue Ader an der Schläfe des Mannes, zart wie Pergament, so deutlich sichtbar, zuckend jetzt zu ihrem vorletzten Pulsschlag ... und, SCCHHIT!Oh-wie-Wie schön!
Während der Nacht verschwindet Sir Stephen aus dem Casino.
Aber erst nachdem er Slothrop erzählt hat, daß dessen Erektionen für Fitzmaurice
House von höchstem Interesse seien.
Am Morgen kommt dann Katje ins Zimmer geplatzt, verstörter als ein nasses Huhn, um Slothrop von Sir Stephens Verschwinden zu berichten. Alle Welt scheint Slothrop plötzlich was erzählen zu wollen, und er ist noch kaum wach. Regen prettert gegen Jalousien und Scheiben. Montagmorgen, saure Mägen, Lebewohls ... er blinzelt hinaus auf die nebelverhangene See, der Horizont grau in grau, die Palmen glitzern im Regen, schwer und naß und unglaublich grün. Anscheinend steckt ihm der Champagner noch in den Knochen - denn er empfindet, zehn außerordentliche Sekunden lang, nur einfach Liebe für alles, was er sieht.
Als es ihm, wie etwas Unnatürliches, bewußt wird, wendet er sich ab, zurück ins Zimmer. Zeit für ein Spiel mit Katje, jetzt...
Ihr Gesicht ist so bleich wie ihr Haar. Eine Regenhexe. Ihre Hutkrempe bildet einen schicken, sahnig-grünen Hof um ihr Gesicht.
"Aha, weg ist er also", vielleicht wird solche Unverfrorenheit sie provozieren: "Wirklich schade. Aber andererseits - vielleicht hat's auch sein Gutes!" "Kümmere dich nicht um ihn. Was weißt du, Slothrop?"
"Was soll das heißen, kümmere dich nicht um ihn? Ist das so deine Art, Leute einfach wegzuschmeißen?" "Willst du das wirklich wissen?"
Er steht da und zwirbelt seinen Schnurrbart. "Erzähl, was los ist."
"Du Bastard! Du hast die ganze Sache sabotiert mit deiner cleveren kleinen
Studentensauferei!"
"Welche , Katje?"
"Was hat er dir erzählt?" Sie kommt einen Schritt näher. Slothrop behält ihre Hände im Auge, erinnert sich an Judo-Instruktoren, die er bei der Armee gesehen hat. Ihm fällt ein, daß er nackt ist, und außerdem, hm hm, scheint er einen Ständer zu kriegen, Achtung, Slothrop! Und keiner da, der's registrieren oder über den Grund spekulieren könnte ...
"Bestimmt nicht, daß du dieses Judo kennst. Hamse dir sicher in Holland beigebracht, was? Jaja, Kleinigkeiten", er trällert in fallenden, kindischen Terzen, "geben dich preis ... "
"Aaahh -" stürmt sie blindwütig
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