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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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welchen Gründen auch immer, bereit sein könnten, seinen Anarchismus-im-Exil zu unterstützen. Bis morgen muß er eine Botschaft nach Genf schaffen, von wo man sie nach Spanien und auf das U-Boot weiterleiten wird. Aber in Zürich gibt es peronistische Agenten. Er wird beschattet. Er darf es nicht riskieren, seinen Verbindungsmann in Genf auffliegen zu lassen.
    "Ich könnte Ihnen schon aushelfen", leckt sich Slothrop die Finger ab, "aber ich bin gerade knapp bei Kasse und -"
    Squalidozzi nennt einen Betrag, von dem Slothrop Mario Schweitar bezahlen und
    monatelang leben kann.
    "Die Hälfte im voraus, und ich bin unterwegs."
    Der Argentinier schiebt die Botschaft, Adressen, Geld über den Tisch. Und zahlt die Rechnung. Sie verabreden sich in der Kronenhalle, in drei Tagen, von heute. "Viel Glück." "Ihnen auch."
    Ein letzter trauriger Blick von Squalidozzi, allein an seinem Tisch. Ein Zurückwerfen der Stirntolle, ein Verdämmern des Lichts.
    Das Flugzeug ist eine mitgenommene DC-3, ausgewählt für ihre Affinität zum Mondlicht, den freundlichen Ausdruck auf ihrem Fenstergesicht, ihre Dunkelheit innen wie außen. Er erwacht, zusammengerollt zwischen Frachtstücken, in metallischer Finsternis, Motorenvibration in den Knochen ... vorne oben sintert ein schwacher, roter Lichtschimmer durch eine Trennwand. Er kriecht zu einem winzigen Fenster und blickt hinaus. Die Alpen im Mondlicht. Irgendwie klein, jedenfalls nicht so spektakulär, wie er sich's vorgestellt hat. Na ja ... Er sinkt zurück auf ein weiches Bett aus Holzwolle, zündet sich eine von Squalidozzis Zigaretten mit Korkmundstück an, denkt, gar nicht schlecht, die Burschen, hüpfen einfach ins Flugzeug und fliegen, wohin sie wollen ... Warum in Genf landen? Klar, Wie wär's mit -ja, diesem Spanien? nein, Moment, sind Faschisten. Die Südseeinseln! Hmm. Voller Japse und GIs. Und Afrika, das ist der Schwarze Kontinent, da hat's nur Eingeborene, Elefanten und diesen Spencer Tracy ...
    " Kein Ort, wo du hinkönntest, Slothrop, nirgends." Ein Schemen, gegen einen Lattenverschlag gekrümmt, zitternd. Slothrop blinzelt durch das schwachrote Dunkel. Es ist das vertraute Titelblattgesicht des unerschrockenen Abenteurers Richard Halliburton: aber seltsam verändert. Über beide Wangen, auf einem Palimpsest aus alten Pockennarben, erstreckt sich ein gräßlicher Ausschlag, aus dessen Symmetrie Slothrop, wäre sein Blick medizinisch geschult, eine Drogenreaktion herauslesen könnte. Richard Halliburtons Reithosen sind zerfetzt und besudelt, seine hellen Haare jetzt speckverfilzt und strähnig. Er scheint tonlos zu weinen, ein verfehlter Engel, der sich über diese zweitklassigen Alpen beugt, über all die Nachtskifahrer tief unten, die unablässig über ihre Hänge kreuzen, ein faschistisches Ideal von Handeln, Handeln, Handeln kultivieren und perfektionieren, das auch einmal sein eigener, glitzernder Daseinsgrund war. Vorbei. Vorbei.
    Vorsichtig drückt Slothrop seine Zigarette auf dem Boden aus. Wie leicht können diese engelsweißen Hobelspäne in Flammen aufgehen. Und jetzt leg dich hin und sei still, verdammter Narr, lieg so still, wie du kannst, in diesem schüttelnden, abgetakelten Flugzeug, denn sie haben dich betrogen - schon wieder betrogen. Richard Halliburton, Lowell Thomas, die Helden zu Fuß und auf Achse, die gelbsüchtigen Stapel von National Geographie oben in Hogans Zimmer, alle müssen sie ihn angelogen haben, und keiner war zur Stelle damals, nicht mal ein koloniales Gespenst auf dem Speicher, ihn eines Besseren zu belehren ... Rütteln, Suppen, Flattern, Rrums, eine Pfannkuchenlandung, blöde Nieten aus der Drachensteigerschule - ein graues Schweizer Morgendämmern in den winzigen
    Fenstern, Klingelgefühle in jedem einzelnen von Slothrops Knochen, Muskeln und Gelenken. Und Zeit für die Stechuhr.
    Ohne Zwischenfälle kommt er aus dem Flugzeug und mischt sich in ein gähnendes, unwirsches Rudel aus frühen Passagieren, Fracht- und Flughafenarbeitern. Cointrin am frühen Morgen. Schockierend grüne Hügel auf der einen Seite, braune Stadt auf der anderen. Das Pflaster ist schlüpfrig und naß. Wolken treiben langsam über den Himmel. Montblanc sagt hallo, See grüßt rüber, Slothrop kauft zwanzig Zigaretten und die Morgenzeitung, fragt nach Richtungen, klettert in eine Straßenbahn, die gerade kommt und weiterfährt, mit kaltem Luftzug durch Türen und Fenster, um ihn wachzukriegen, in die Friedensstadt hinein.
    Er soll seinen argentinischen

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