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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Sicherheitsbestimmungen. Mexicos Sträuben hat nichts mit Pirats Gefühlen angesichts des Unternehmens Schwarzer Flügel gemein. Es sieht mehr nach Scham aus. War sein Gesicht heute abend nicht abgewandt, als er den Umschlag an sich nahm? Blicke haltlos in Raumecken irrend, der Reflex eines Pornokunden? Hm. So wie er Bloat kennt, könnte es sich genau darum handeln. Junge Dame empfängt wohlbestückten jungen Herrn, verschiedene Stellungen -bekömmlicher als alles, was in diesem Krieg sonst photographiert wurde ... immerhin ein Stück Leben...
    Da kommt Mexicos Mädchen, sie betritt gerade den Raum. Er bemerkt sie sofort, die Klarheit, die sie ausstrahlt, dieses Fehlen von Rauch und Lärm ... sieht er etwa schon ihre Aura? Sie entdeckt Roger und lächelt, mit riesigen Augen ... dunkle Wimpern, kein Makeup, zumindest keines, das er erkennen kann, ihr Haar fällt in einer weichen Innenrolle über die Schultern -was, zum Teufel, hat sie in einer gemischten Flakbatterie verloren? Sie sollte lieber in einer NAAFI-Kantine Kaffee aussehenken. Er fühlt sich plötzlich senil und närrisch, fühlt einen richtigen Schmerz unter der Haut, einfach Liebe zu diesen beiden, die nur will, daß ihnen nichts passiert, und die er immer irgendwie umschreiben wird - "Anteilnahme", versteht ihr, "eine richtige Schwäche..."
    Im Jahr 1936 hatte Pirat (einen "T. S. Eliot-April" nannte sie es, obwohl man einen kälteren Monat schrieb) eine Liebesaffäre mit der Frau eines Industriemanagers. Sie war ein dünnes, schlaksiges Mädchen und hieß Scorpia Mossmoon. Ihr Mann Clive war Kunststoffspezialist in Cambridge, von wo aus er für Imperial Chemicals arbeitete. Pirat, der Karrieresoldat, leistete sich gerade einen ein-, zweijährigen Rückfall, oder Ausflug, ins Zivilistendasein.
    Das Gefühl, es dringend nötig zu haben, hatte er sich östlich von Suez geholt, Garnisonen wie Bahrain, wo der Rohölgestank aus Muharrak die Luft verpestete und sein Bier salzig schmeckte von seinem eigenen Schweiß - eine sonnenverbrannte Truppe von demoralisierten Gaunern, geschlechtskrank zu 98 Prozent, trotz abendlicher Ausgangssperre, die den Scheich und seinen ölgewinn vor jeder Bedrohung schützen sollte, die von östlich des Ärmelkanals ausgehen konnte, geil, halb von Sinnen vor Läusebissen und Hitzebläschen (Onanieren unter solchen Bedingungen ist raffinierte Folter) und ständig besoffen. Doch nüchtern genug, um bei Pirat den Verdacht aufkeimen zu lassen, daß sein Leben ungenützt verstrich. Die unglaubliche, schwarzweiße Scorpia bestätigte nicht wenige von Pirats Phantasien über die glamouröse, seidenbeinige englische Große Welt, von der er sich so ausgeschlossen fühlte. Sie hatten einander kennengelernt, als Clive gerade in einer Feuerwehrmission für ICI unterwegs war, und wo? Ausgerechnet in Bahrain! Diese Symmetrie der Schicksale half Pirat, das Ganze etwas weniger schwer zu nehmen. Sie gingen damals oft getrennt auf Parties, zwei Fremde, doch lernte sie es nie, sich gegen seinen unerwarteten Anblick jenseits eines Raums zu wappnen. Er gab sich Mühe, so zu wirken, als gehöre er dazu, als wäre er nicht nur ein Lohnempfänger. Sie fand ihn rührend in seiner umfassenden Unkenntnis (Parties, Liebe, Geld), kam sich mondän vor und empfand verzweifelte Zuneigung zu solcher Unschuld eines Menschen, der sonst, in seinem ganzen Wesen, vom Empire vereinnahmt war. Sie würde sein letztes Abenteuer sein (er war damals 33), das letzte vor seiner Austerity - obgleich sie selbst zu jung war, das zu begreifen, zu jung, um wie Pirat verstehen zu können, was der Text von "Dancing in the Dark" -wirklich sagt...
    Er achtet ängstlich darauf, daß sie es niemals erfährt. Aber dann gibt es wieder Augenblicke, da es ihn letzte Kraft kostet, sich ihr nicht zu Füßen zu werfen und -obwohl er weiß, daß sie Clive nie verlassen wird - zu schluchzen du bist meine letzte Chance ... wenn du's nicht sein kannst, ist es für immer zu spät ... Gegen alle Einsicht hofft er, es könnte möglich sein, den Lebensplänen des Westens ein Schnippchen zu schlagen ... aber wie ... wo soll ein Mann von 33 Jahren überhaupt anfangen... "Aber genau das ist doch der Punkt", lacht sie dann, mehr amüsiert als unruhig (sie hätte gelacht) angesichts eines Problems, das ihr unwirklich vorkommen muß. Zu fremd waren ihr die manischen Ränder seines Wesens, seine Besitzansprüche und Umarmungen (denn mehr als damals, als er am Persischen Golf in rauhen Uniformstoff wichste,

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