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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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danach, wobei er freigebig Äther verspritzt. Endlich ortet er den Schwamm im Lichtkegel; der Hund in seinem Kinderwagen sieht mit einiger Verwirrung zu. "Hah!" Äther strömt auf den Schwamm, überzieht Rogers Hände mit Eiseskälte, bis die Flasche leer ist. Den durchtränkten Schwamm zwischen zwei Fingern haltend, schwankt er auf den Hund zu und leuchtet sich mit der Lampe von unten in sein eigenes Gesicht, um die Vampirgrimasse zu verstärken, die er zu machen glaubt: "Augenblick - der Wahrheit!" Er springt. Der Hund huscht zur Seite, streicht an Roger vorbei auf den Aüsgang zu, während Roger samt Schwamm kopfüber in den Kinderwagen kracht, der prompt zusammenbricht. Wie aus weiter Ferne hört er oben den Doktor winseln: "Er geht uns durch, Mexico! Rasch! Beeilen Sie sich!"
    "Beeilen." Roger umklammert den Schwamm, schält sich wieder aus dem Kinderwagengefährt heraus, zieht es aus, als ob es ein Hemd wäre, was ihm keine kleine sportliche Leistung zu sein scheint. "Mexicooo", flehend.
    "Komme!" Roger krabbelt über die Trümmerhaufen des Kellers hinweg ins Freie, wo der Doktor gerade auf den Hund losgeht, das Netz hoch erhoben und ausgespannt. Regen fällt beständig über das lebende Bild. Roger beschreibt einen Kreis, um gemeinsam mit Pointsman einen Zangenangriff auf das Tier zu starten, das jetzt mit fest in den Schutt verkrallten Pfoten und gebleckten Zähnen vor einem Rest Brandmauer steht. Jessica wartet auf halbem Weg, hat die Hände in den Taschen vergraben, raucht, beobachtet.
    "Ihr dort!" röhrt der Wachtposten, "ja, ihr! Ihr Idioten! Bleibt von diesem Stück Mauer weg, die hat keine Stütze mehr!" "Haben Sie Zigaretten?" fragt Jessica. "Gleich rast er los!" kreischt Roger.
    "Um Gottes willen, Mexico, langsam jetzt." Schritt für Schritt den Boden sondierend, tasten sie sich über das prekäre Gleichgewicht der Ruine nach oben. Es ist ein System von Hebelarmen, das sie jeden Augenblick unter einem tödlichen Einsturz begraben kann. Immer enger ziehen sie den Kreis um den Hund zusammen, der mit raschen Kopfdrehungen abwechselnd den Doktor und Roger anpeilt, ein Knurren versucht, gleichmäßig mit dem Schwanz gegen die beiden Wände der Ecke klopft, in die sie ihn gedrängt haben.
    Als Roger mit der Lampe schräg hinter die Mauer zu kommen beginnt, erinnert sich das Tier, irgendein Schaltkreis in seinem Inneren, an jenes andere Licht, das kürzlich auch von hinten gekommen ist - das Licht, das den jähen Schlag begleitet und Schmerz und Kälte gebracht hat. Licht von hinten bedeutet Tod / sprungbereiten Männern mit Netzen kann man ausweichen"Schwamm!" heult der Doktor. Roger wirft sich nach dem Hund, der in Richtung Pointsman davonschießt und sich über die Straße in Sicherheit bringt, indessen Pointsman, aufstöhnend, verzweifelt mit dem Kloschüsselfuß ausholt, den Hund verfehlt und von seinem Schwung eine volle Drehung herumgerissen wird, das Netz ausgespannt wie eine Radarantenne. Roger, die Nase voller Äther, kann nicht mehr bremsen - als der Doktor seine Umdrehung vollendet, rutscht Roger in ihn hinein und bekommt am Bein einen schmerzhaften Stoß mit der Kloschüssel ab. Die beiden Männer stürzen übereinander, verwickeln sich in das Netz, das sie unter sich begräbt. Geborstene Balken knarzen, Klumpen aus regennassem Gips geraten in Bewegung. Über ihnen beginnt die ungestützte Mauer zu schwanken.
    "Weg dort!" tobt der Wachtposten. Aber alle Versuche des Paares unter dem Netz, sich zu befreien, bewirken nur noch heftigeres Schwanken.
    "Das war's dann wohl", zittert der Doktor. Roger sucht seine Augen, um zu sehen, ob er das wirklich meint, aber das Fenster in der wollenen Sturmhaube enthüllt jetzt nur ein weißes Ohr und ein paar Haarbüschel.
    "Rollen!" schlägt Roger vor. Sie bringen es tatsächlich fertig, ein paar Meter in Richtung Straße hinabzurollen, zu welchem Zeitpunkt ein Teil der Mauer endgültig eingestürzt ist, in die entgegengesetzte Richtung. Irgendwie schaffen sie es, zu Jessica zurückzukommen, ohne noch mehr Unheil anzurichten.
    "Er ist die Straße runtergerannt", erwähnt sie, während sie den beiden aus dem Netz heraushilft.
    "Schon gut", seufzt der Doktor. "Das ist jetzt auch schon egal." "Aber der Abend hat doch erst begonnen", sagt Roger. . "Neinnein. Vergessen wir's." "Wie wollen Sie denn zu Ihrem Hund kommen?"
    Sie fahren längst wieder, Roger am Lenkrad, Jessica zwischen ihnen, die Kloschüssel in der halboffenen Tür, als er endlich antwortet:

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