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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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Unterschiede nicht
mag, sehe ich weg.«
    »Möchten Sie«, sagte Karla, »sein wie
ich? Ich habe die Phantasie, daß Sie eine Anziehung zwischen uns spüren!«
    »Ich habe tatsächlich«, sagte Verna,
»eine Anziehung gespürt, sonst hätte ich Sie nicht angerufen.«
    »Verna«, sagte Karla, »kommen Sie,
darüber müssen wir reden.«
    »Ich kann aber nicht«, sagte Verna.
    »Dann sind Sie noch nicht soweit. Wir
müssen Ihre Grenzen akzeptieren.«
    »Ich bin ein Messer«, sagte Verna, »ich
bin eine Schere. Ich bin eine Velko zwei. Ich bin die beste Rosenschere, die
man in ganz Europa finden kann. Die Velko zwei ist eine Rarität. Da war dieser
Mann, einer von Izzys Bekannten. Für die Rosenschere ist er durch alle
Eisenwarenhandlungen gelaufen. Dann hat er die Velko zwei seiner Freundin
überreicht, nachts um zwölf. Es war ihr Geburtstag. Sie hatten eine Latifundie
an der Brandenburgischen Seenplatte. Da gab es diesen Gärtnergott, den die
Freundin von Izzys Freund sehr bewunderte. Der Gärtner hatte die Velko zwei.
Aber er hatte auch noch ein Etui dazu. Aus Leder, obwohl man Tiere nicht töten
soll. Deshalb konnte sie sich nicht freuen. Sie wollte nicht nur die Velko
zwei. Sie wollte zum Geburtstag auch das Etui dazu.«
    »Mein Gott, Verna«, sagte Karla, »was
bedeutet Rosenschere für Sie?«
    »Es bedeutet«, sagte Verna, »daß man
sich Rosen schneiden kann. Frühmorgens im Tau. Man mag die Rosen. Besonders,
wenn sie frisch sind. Man stellt sie gern auf den Tisch.«
    »Hat die Rose ein Gesicht, Verna, ich
meine, ist es mein Gesicht?«
    »Es ist eine Rose«, sagte Verna, »sonst
nichts. Und ich bin eine Familie. Ich hasse mich, ich suche Blumen. Ich bin die
Dichterin, die nicht dichtet, ich bin keine Schere, ich bin das Etui.«
     
    Der heiße Wind schlug Alakar Macody
seine Zähne in den Nacken. Dieser Junge, Antonio, sagte seine Mutter zu der
widerwilligen Therapeutin, nimmt Menschen gar nicht wahr, er lebt nur in seinen
Gefühlen. Alakar steckte die Finger in den Kragen, als hielten sich tatsächlich
gefräßige Tiere dort auf. Möglichkeit und Makel, Symptome der Endlichkeit des
Lichts in einem Universum, das vorwiegend dunkel schien. Aber Batman war zu
klein gewesen, um das zu begreifen. In den Schaufenstern lagen Trainingshosen
und Koppelgürtel, japanische Schriftzeichen wanden sich um Laternen,
Buchstaben, und der Atem aus Klimaschächten strich ihm über die bloßen Füße.
Die Wetterwechsel machten ihn noch krank. Blieb zu hoffen, daß er bis Brainonia durchhielt.
    Dame der Schweigsamkeit, sagte Eliot, still und bedrängt,
wund und sehr heil. Wieder zog sich ihm die Kehle zusammen, und es war ihm,
als müsse er sich übergeben. Batman hatte nie geweint, aber Antonio hatte
geweint, als Doris Knöchel seine Herbstrosen zertrat. Das Wesen der Zweisamkeit
war die Täuschung.
    Anfangs war er so weit gegangen, Doris
Knöchel für eine Herbstrose zu halten. Sie verkörperte die Verlockung, den
Fluch seiner Generation, die Liebe suchte, wo sie nicht sein konnte, weil sie
in den Beschwörungen zu vieler Romane verlorengegangen war. Längst aber hatte
sich die Liebe ohne weiteren Aufwand von der Welt verabschiedet. Was von ihr
blieb, war Nervenzuckung, ein Aufbäumen bebender Leitbahnen. Manchmal überkam
ihn Sehnsucht, jedoch beim Morgengrauen las er in der Küche dagegen an. Schon
einzelne Worte genügten, böse Verzauberung, triftende Wrackteile, Rechnungen und bittere Apfel. Wenn es schlimmer wurde, ein Shakespeare-Sonett. Jetzt
bin ich ohne Mantel losgezogen, denn du hast mir gesagt, der Tag wird lau. Dem Ackergauchheil beim Wachsen zu lauschen genügte, müde nach der durchwachten
Nacht die orangefarbenen Blüten zu betrachten, seine Wurzeln auszugraben und zu
kochen. Den Trank, den die Narren einnahmen und die Gaukler, die Verrückten.
    Täuschung war überall.
    Seine Mutter hatte sich in Eliot
getäuscht. Ihr Frohlocken, wenn ihm Kritiker vorwarfen, er würde Größe
beschwören, die er selbst nicht besaß. All das Zeug, sagte sie, Kopfgeburten.
Glaube, Hingabe — reine Theorie. Wenn dieser Mann geglaubt hat, dann bin ich
jedenfalls Gott! Antonio fand, daß sie recht hatte, natürlich war seine Mutter
Gott, Gott, der Eliot haßte, weil Antonio ihn so liebte.
    Wieder schaute er auf die Uhr, Brainonia. Gegen die Grübelei erwärmte seine Mutter für Batman Ravioli aus der Dose. Das
ist gesund und lecker, sagte sie und rammte ihm von der Seite einen Löffel in
den Mund. Immer wurden Löffel gerammt, weil

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