Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
sei! Er hat immer behauptet er könne fühlen, dass sie noch am Leben sei. Wir hielten das natürlich für Unsinn.«
»Cassidy hat uns dasselbe erzählt. Sie hat sich uns angeschlossen, um ihn aus der Sklaverei zu befreien.«
»Und ... wie ist sie so?«, wollte Faith neugierig wissen. Der Ärger und die Wut waren augenblicklich verflogen. Beide Frauen teilten nun dieselbe Motivation, ihren Auftrag zu erfüllen. Kim überließ der Amazone sogar das Nachtsichtgerät, da sie die nötigen Entfernungen für ihre Karte im grünen Sichtfeld ohnehin nur schwer einschätzen können würde.
»Sie ist – unglaublich, um ehrlich zu sein. Ein Naturtalent. Sie hat Johnny ein paar Mal anständig aufs Kreuz gelegt, und sie ist eine gute Freundin.«
»Genau wie ihr Bruder, wobei der sich mehr als einmal an Dog die Zähne ausgebissen hat!«, erwiderte Faith schadenfroh. »Wir sollten uns beeilen! Die anderen müssen erfahren, wen die Typen gefangen halten!«
Gemeinsam schlichen sie sich näher an das Lager heran. An der Zufahrtsstraße entdeckten sie zwei unbesetzte MG Nester, die nur leicht mit Sandsäcken befestigt worden waren. Etwa zehn Meter dahinter loderte ein Lagerfeuer, über dem ein Wildschwein an einem Drehspieß geröstet wurde und verführerisch duftete. Mehrere Sicarii saßen um das Feuer herum und stopften sich bereits hungrig die Bäuche voll. Der Außenposten war von einem Stacheldrahtzaun umgeben, der ihn vom Rest der Ruinenstadt abtrennte. Dank der Unterstützung des Nachtsichtgerätes vermochte Faith die unregelmäßigen Patrouillen schon von weitem auszumachen.
»Wir müssen tiefer hinein!«, flüsterte sie. »Von hier aus können wir nichts erkennen.«
»Was ist mit der Kanalisation? Vielleicht kommen wir so unbemerkt an der Absperrung vorbei?«, fragte Kim und untersuchte die Straße hinter dem Zaun nach Zugängen. Faith wartete geduldig und behielt die Wachposten im Auge, doch schon nach einer Minute schüttelte die rothaarige Frau enttäuscht mit dem Kopf.
»Vergiss es«, seufzte sie. »Die haben die Gullis zugeschüttet.«
Ihre Kameradin nickte und holte ein Taschenmesser mit integrierter Drahtschere hervor. Sie suchten sich eine abseits gelegene Stelle des Zauns, die von einem Strauch verdeckt wurde. Innerhalb weniger Sekunden entstand ein kleines Loch zum Durchschlüpfen. Die dunkelhäutige Amazone schlich auf Katzenpfoten voraus und versuchte einen unauffälligen Weg zwischen den fünfstöckigen Wohnblöcken zu finden. Sobald sie eine geeignete Position ausgemacht hatte, hinter ein paar Mülltonnen, einem Autowrack oder ähnlichem, gab sie Kim ein Handzeichen, damit sie ihre Skizze für Angel erstellen konnte.
Dass Kim jedem Gebäude eine Nummer zuwies, verstand Faith noch. Als die rothaarige Frau jedoch einen lasergesteuerten Entfernungsmesser hervorholte, wurde sie neugierig. Bis auf den Sattelschlepper gab es bei den Vultures kaum hochentwickelte Technik. Die meisten Gangmitglieder waren ohnehin unfähig, sie einzusetzen. Kim erklärte ihr, wie sie die Entfernungen zwischen allen Gebäuden, an denen sie vorbeikamen, maß, um damit eine genaue Karte für den Artillerie- und Scharfschützeneinsatz erstellen zu können, woraufhin sich die Amazone sichtlich beeindruckt zeigte.
Zwei Stunden lang krochen sie unbemerkt durch die ehemalige Kleinstadt. Die Sicarii hatten nicht den ganzen Ort besetzt, sondern sich den Teil mit den intaktesten Gebäuden gesucht. Der Rest von Brackwood war eine Ruinenlandschaft auf Bodenniveau, wie die Umgebung von Temple Town, die kaum Schutz vor Angriffen bot.
»Man, das sind verdammt viele!«, flüsterte Faith und schob das Nachtsichtgerät auf ihre Stirn. »Ich dachte, euch haben nur eine Handvoll Sicarii angegriffen. Das hier müssen gut fünfzig Mann sein!«
»Angst?«, erwiderte Kim spöttisch.
»Ach was! Wenn die uns nicht mehr als die beiden MGs am Eingang entgegensetzen können, werden wir bei den breiten Straßen und den offenen Häusern mit dem Truck leichtes Spiel haben!«
»Hoffen wir’s. Wie weit ist es noch?«
»Drei Blöcke, dann sind wir durch. Ich kann den Zaun erkennen, aber ich seh nichts, was einem Gefängnis ähnelt. Vielleicht wurden die Gefangenen ausgelagert? Vielleicht hat euer Informant gelogen?«
Kim antwortete nicht darauf. Der Gedanke kam ihr bereits vor der Abfahrt aus Eagle Village, doch sie würde jetzt nicht aufgeben. Mürrisch schlichen sie um weitere verfallene Häuser herum, während Schutt und stinkende Müllberge ihnen
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