Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
bestand. Angel saß bereits mit einer dampfenden Kaffeetasse am Tisch und stöberte in einem dicken Buch über Militärstrategie. Kim nahm mit ihrer Schülerin Platz und verschlang ausgehungert ihr Essen.
»Wie kommt es eigentlich, dass ich euch nie laufen sehe?«, fragte Cassidy verschmitzt, bevor sie die Eier probierte.
»Ja Johnny, warum seh ich dich nie trainieren!«, rief Kim mit gespielter Empörung. Minutenlang versuchten die drei Herren nun Ausreden zu erfinden, um ihr Desinteresse an sportlicher Betätigung zu begründen. Die Argumentation ging von alten Kriegsleiden über Victors Schussverletzung bis hin zu der Tatsache, dass sie als Männer ohnehin viel weniger Training brauchen würden und sowieso ganz andere Jobs als die Damen hätten.
»Hoffnungslos«, murmelte Cassidy schließlich, woraufhin die Beschuldigten beleidigt ihre Arme verschränkten.
»Wem sagst du das. Pass nur auf, dass du nicht irgendwann neben einem von ihnen aufwachst!«, pflichtete Kim ihr spöttisch bei.
»Hey!«, rief Johnny gekränkt, als er merkte, wie ihn nun alle amüsiert anstarrten. »Sie hat das zwischen uns angefangen!«
Natürlich traf genau in diesem Moment der Pferdekurier aus seiner Heimatsiedlung Jaguar Bay ein und überreichte ihm ein Paket mit Uniformteilen, die seine Mutter extra für ihn geweitet hatte. Als Kim auch noch den Grund für die neuen Spezialanfertigungen preisgab - den verzweifelten Kampf mit einem etwas zu hohen Lattenzaun, der ihrem Freund im wahrsten Sinne des Wortes den Allerwertesten aufgerissen hatte - musste Angel schlichtend einschreiten, um nicht den ganzen Vormittag mit peinlichen Anekdoten zu verschwenden. Eine halbe Stunde lang saßen sie anschließend gemeinsam am Tisch und unterhielten sich ausgelassen über vergangene Zeiten und kommende Ereignisse. Angel hatte einen Bericht erhalten, dass es im Norden immer häufiger zu Zwischenfällen mit einer neuen Gang kam. Keine Vultures sondern eine unbekannte Gruppe, was dem General große Sorgen bereitete. Bisher schienen sie sich aber auf Scheinangriffe und Kommunikationsstörung zu beschränken. Seine Stellvertreterin vermutete, dass eine der kleineren Banden aus den Metropolen den Aufstand probte und die Umgebung nach einem eigenen Herrschaftsgebiet abtastete.
***
Die nächsten Tage glichen einander sehr und sorgten so für ein Gefühl der Stabilität, das Cassidy lange vermisst hatte. Jeder Morgen begann mit einem Lazarettbesuch und darauffolgendem ausgedehnten Fitnessprogramm. Beim Joggen fand sie einen neuen Freund, den Schäferhund Scott, der ihr während des Laufens regelmäßig Gesellschaft leistete. Er hatte einem Ranger gehört, der vor ein paar Monaten bei einem Hinterhalt der Vultures ums Leben gekommen war. Der Mann hatte dem Tier zuvor sogar einige Kunststücke beigebracht. Neben dem üblichen Sitz!, Bei Fuß! und Gib Pfötchen! reagierte der abgerichtete Hund erschreckend schnell auf Anweisungen wie Fass! oder Bring das Gewehr!. Darunter verstand er jedoch nur eine ganz spezielle Waffe, das alte Sturmgewehr seines Vorbesitzers, das baugleich mit Johnnys Lieblingswaffe war, aber keine persönlichen Modifikationen aufwies. Damit beantwortete Scott kompromisslos die Frage, welche Waffe Cassidy sich aussuchen würde. Er hörte auch nur auf seine neue Herrin. Warum er das tat, vermochte niemand zu erklären und Cassidy freute sich viel zu sehr über ihren treuen Gefährten, um sich mit derlei Nebensächlichkeiten zu beschäftigen. Die Jagdhunde ihres Dorfes waren von Kindestagen an ihre liebsten Spielkameraden gewesen, zum Leidwesen ihres älteren Bruders, der auf der Pirsch keine verspielten Familienhunde gebrauchen konnte.
Im Fitnesspavillon fand ein Wettkampf der Männer im Gewichtstemmen statt. Victor schied sehr früh aus, seine Stärken lagen in der Technik. Johnny schaffte es in die Riege der letzten Fünf, doch dann rächten sich sein Übergewicht und das mangelnde Training. Am Ende kämpfte Butch mit dem jungen, durchtrainierten Krankenpfleger Marcus um den ersten Platz und siegte nach vier schmerzhaften Durchgängen unter dem Beifall seiner Kameraden.
Unterdessen nutzten Angel und Frank die entspannten Tage für ausgedehnte Schachspiele. Die beiden Strategen konnten stundenlang vor dem karierten Holzbrett verbringen, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken. Schon zu ihrer Zeit als Kriegsgefangene besuchte der damalige Colonel Monroe sie häufig mit dem Schachbrett unterm Arm und verbrachte manchmal ganze
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