Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
Angel studierte ihre Akten nun mit Vorliebe im Freien, wo sie ihrem Schützling stolz beim Training zusah. Selbst Monroe informierte sich immer häufiger über ihre Fortschritte.
Vormittags besuchte Cassidy die Schule. Der General hatte eine kleine Bibliothek in der Tankstelle angelegt. Märchenbücher, alte Romane, militärische Fachliteratur und sogar eine sechsteilige, allgemeine Enzyklopädie waren allen Bewohnern zugänglich. Die war zwar schon fünfzig Jahre alt, doch wissenschaftlich hatte sich in den letzten Jahrzehnten ja kaum etwas getan. Cassidy konnte bereits lesen, schreiben und rechnen, aber die Lehrstunden in Geschichte interessierten sie sehr. In ihrem Dorf war sie von der Außenwelt abgeschnitten gewesen und hatte viel nachzuholen. Besonderes Augenmerk legten die Lehrer auf die Entwicklung der Freien Enklaven und der Vultures.
Nachmittags unterwiesen Angel und Johnny sie im Gebrauch von Schusswaffen. Die Mechanik und Funktionsweise von Handfeuerwaffen und Sturmgewehren ist schnell erlernt, doch es dauert seine Zeit, bis man auch dort trifft, wo man hinzielt. Fast jeden Tag stand Cassidy auf dem Schießstand und übte sich darin, immer kleinere Dosen zu treffen. Die Ranger benutzten zu Trainingszwecken ein Fließband, welches von einer Person unterschiedlich schnell gezogen wurde und dadurch bewegliche Ziele bot. Nach einer Woche überraschte Angel ihre rechtshändige Schülerin mit der Aufforderung, das Schießen auch mit links zu üben. Sie erklärte dem Mädchen, dass man sich im Gefecht nicht aussuchen könnte, wie eine mögliche Deckung verläuft, und dementsprechend beidseitig treffsicher sein müsse.
Die spärliche Freizeit verbrachte sie mit dem Lesen von Märchenbüchern aus der Bibliothek des Generals, was Angel naserümpfend mit den Worten »Das wird dir da draußen nicht helfen!« kommentierte. Cassidy bereute schnell, sie nach ihrer Meinung nach sinnvoller Lektüre gefragt zu haben, denn von diesem Moment an durfte sie sich durch schwere Geschichts- und Philosophiewälzer kämpfen. Die ersten Tage verstand sie kaum ein Wort und musste fast auf jeder Seite um eine Erklärung bitten, doch ihr inzwischen unerschütterliches Vertrauen in ihre äußerst überzeugend wirkende Mentorin verschaffte ihr das nötige Durchhaltevermögen.
In den Abendstunden übte Cassidy zusammen mit Kim Kampftechniken nahe der Felswand hinter dem Feld. Hier gefährdeten sie niemanden und Kim zeigte sich höchst zufrieden mit ihrer Schülerin. Angel war ebenfalls sehr beweglich und wusste sich durch besonders harte Schläge zu verteidigen, aber ihr hochmotiviertes Protegé schien gerade in dieser Disziplin ein einmaliges Naturtalent zu sein. Was andere monatelange Arbeit kostete, erreichte sie in gut zwei Wochen. Einen wirklichen Stichtag gab es nicht, jedoch stand fest, dass ihr Team aufbrechen würde, sobald Angel wieder auf den Beinen war.
Als sie am Abend des siebzehnten Tages am Fuße des südlichen Gebirgszuges trainierten, beobachtete sie Angel vom Zaun der Farm aus. Die tief im Westen stehende Sonne wurde von der hellen Felswand reflektiert und blendete sie so stark, dass nur noch schwarze Silhouetten der beiden erkennbar waren. Einen Unterschied in ihren Bewegungen erkannte die mürrisch an ihrer Schussverletzung reibende Kommandeurin nicht mehr. Kim und ihre Schülerin wirkten wie Tänzerinnen in einem einstudierten Ballett, in dem sie ihre Arme und Beine immer wieder gegen einen unsichtbaren Feind schleuderten.
»Stör ich?«, fragte eine tiefe Stimme hinter ihr.
»Hey Frank«, murmelte sie, ohne sich dabei umzudrehen. Monroe trat näher und stützte sich auf den Absperrzaun, der Mensch und Tier voneinander trennte.
»Und du bist dir sicher, dass du sie in einem Loch in der Erde gefunden hast?«
»Schon seltsam, oder? Wäre ich ein paar Sekunden später gekommen, oder hätte Victor anständig Wache gehalten. Oder …«, Angel seufzte und machte eine kurze Pause. »Du bist doch nicht hergekommen, um den Mädchen beim Training zuzusehen!«
Der General schaute ertappt auf den Boden und schmunzelte für einen Augenblick.
»Nein.«
Seine Gesichtszüge verhärteten sich, als er ihr seinen Blick zuwendete.
»Wir haben ein Problem. Team Vier und Fünf sind längst überfällig.«
»Hm, sie könnten aufgehalten worden sein. Matthew ist auch nicht gerade der beste Mechaniker. Vielleicht ist Sharons Wagen wieder irgendwo liegengeblieben?«
»Möglich, aber mit all den Gerüchten über eine neue
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