Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
unterbewusst in die Vergangenheit, während Kim über ihre Beziehung sprach. In ihrem Dorf gab es auch jemanden, den sie attraktiv fand. William, der beste Freund ihres Bruders und eigentlich viel zu alt für sie; aber das hatte die Phantasien eines Teenagers mitten in der Pubertät noch nie zurückhalten können. Jedes Mal, wenn sie sich nun an die gemeinsamen Abenteuer mit ihm und Caiden erinnerte, endete die Geschichte in der Zerstörung ihrer Heimat, bei der wahrscheinlich beide gefallen waren.
»Ich denke …«, fuhr Kim nachdenklich fort und riss Cassidy damit aus ihren depressiven Gedanken. »… in einer normalen Welt, also vor dem Zusammenbruch, hätte es keine Zukunft für Johnny und mich gegeben. Unsere Beziehung ist durch Extremsituationen entstanden. Irgendwie bin ich den ganzen Gangs und durchgeknallten Psychopaten sogar dankbar dafür.« Als ihr Blick über den Lagerplatz schweifte, auf dem sich Johnnys breiter Schatten deutlich von den anderen abhob, kniff sie ihr grünes Auge zusammen und fügte scherzhaft hinzu, »So unter uns: Ich glaub er ist auch ganz zufrieden mit dem Arrangement!«
Cassidy musste sich eingestehen, anfangs nicht viel von dem trägen Mann gehalten zu haben, bis er ihr in buchstäblich letzter Sekunde das Leben rettete, als sie Angels Pistole nicht aus dem Holster bekam. Sie schämte sich für ihre Vorurteile und war heilfroh, dass niemand davon erfahren hatte. Wo sie aber gerade beim Thema waren, erkundigte sie sich auch gleich nach den Familienverhältnissen ihrer Retterin, worauf Kim unerwartet still wurde und sich vom Lagerfeuer abwendete.
»Ja, sie hat jemanden - einen Vulture namens Dog. Seinen richtigen Namen kenne ich nicht«, flüsterte sie bedrückt, als hätte man ihr verboten, darüber zu sprechen.
»Dog? Der eine Typ in Sienna hat doch …«
»Sie würde es nie zugeben, aber es schmerzt, wenn man ihn erwähnt«, unterbrach Kim ihre Neugierde. »Kein Wunder, dass sie die beiden einfach erschossen hat. Aber nach dem, was wir bei den Autowracks mitbekommen haben, hat sie ihnen wahrscheinlich Schlimmeres erspart.«
Cassidy lief beim Gedanken an die Granatexplosionen erneut ein kalter Schauer über den Rücken, doch bevor sie sich wirklich daran erinnern konnte, setzte Kim ihren Monolog fort.
»Sie hat ihn seit vier Jahren nicht gesehen. Tu ihr einen Gefallen und frag sie nicht nach ihm. Sie würde dir mehr erzählen, aber ...«
Cassidy nickte bestätigend. Wieder ein Geheimnis aus Angels Vergangenheit von dem weder gesprochen noch berichtet werden durfte.
»Vielleicht macht sie sich Sorgen um ihn. Wenn es stimmt, was der Typ in Sienna …«, weiter mochte das Mädchen den Gedanken nicht führen.
»Vielleicht. Das ist eins der Themen, über die sie so gut wie nie redet. Und wir sollten es auch nicht hinter ihrem Rücken tun!«, antwortete Kim und beendete damit die Diskussion. Um die Stimmung zu heben, plünderte sie zusammen mit Cassidy die Reste der Reiseverpflegung. Anthonys Spezialeintopf mit einem schmackhaften Gemüsemix in flüssigen Stampfkartoffeln. Während ihrer Ausbildung hatte Cassidy gelernt, dass heiße Suppen in kalten Nächten ungemein motivierend wirken können, und erhielt nun die leckere Bestätigung.
***
Eine knappe Stunde vor Sonnenaufgang weckten die beiden ihr Team. Angel wollte früh aufbrechen, um möglichst viel Nutzen aus dem Tageslicht zu ziehen. Scott knurrte enttäuscht beim Anblick seines Frühstücks aus Zwieback und trockenem Brot.
»Wir müssen heute irgendwas jagen, sonst meutert der Hund«, meinte Cassidy und wich vorsichtig zurück. Die anderen lachten, aber niemand äußerte einen Einwand gegen frisches Fleisch zum Abendessen.
Eine asphaltierte, mit Schlaglöchern übersäte Straße, aus deren Fugen das widerstandsfähige Steppengras spross, wies dem kleinen Konvoi zielstrebig den Weg durch das militärische Sperrgebiet. Mit großen Augen musterte Cassidy die zerstörten Panzer und Artilleriefahrzeuge, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, was für Kräfte nötig waren, um solche Stahlkolosse in Altmetall zu verwandeln.
Zur Mittagszeit erreichten sie ein Gebiet, in dem ihnen das trockene Gras bis zu den Hüften reichte. Butch drosselte die Geschwindigkeit auf der kurvenreichen Strecke, um nicht von Hindernissen auf der Straße überrascht zu werden. Angel stieg in den Geschützturm und musterte die Landschaft mit ihrer Zieloptik. Es dauerte nicht lange, bis sie auf das Dach
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