Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
Gericht, und das Urteil beendete seine Träume davon, Großstadtpolizist zu werden. Später, so erzählte ihr es Myrbäck, hat er wohl als Türsteher in Södertälje den einen und anderen betrunkenen Gast zusammengeschlagen. Bei einer dieser Gelegenheiten war er festgenommen und später zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Ja, solche Leute gab es, dachte sie.
In Årsta ließ sie sich am Ortseingang absetzen. Mit einem wie Tjock-Aku wollte sie besser nicht am Fähranleger gesehen werden.
Es war noch nicht Abend, als sie zwischen dem Grün der Birkenblätter erst die Giebelwand des Häuschens erspähte, dann auch die Fenster jenes Zimmers, in dem sie seit ein paar Wochen behaglich lebte. Sie streifte ihren Rucksack ab und ging quer durch den Garten zum Strand. Gerne hätte sie Myrbäck von ihrem Erfolg mit den Wachuniformen erzählt. Doch die Bucht lag verlassen, nicht einmal die ulkigen norddeutschen Gäste lagen am Wasser. Sie ging ins Haus, in die Küche, und aß mit Heißhunger vom blassgelben Haushaltskäse und dem Knäckebrot, die jemand auf dem Frühstücksgeschirr hatte liegen lassen.
Aus ihrer Handtasche kramte sie eine der weißen Kügelchen hervor, die sie in der Wohnung von Forss hatte mitgehen lassen. Sie ließ sie tief ihn ihren Hals rutschen und trank gierig zwei Glas Wasser. Sie streckte sich auf der Bauernbank aus und sah zur Decke auf.
Sie hatte sich vorgenommen, einen Brief an ihre Schwester zu schreiben, so vieles war in den letzten Wochen geschehen, doch sie hatte sich nicht überwinden können. Seit ihrem letzten Brief an Lilja waren Monate vergangen. Aber da war ja niemand, der ihre Briefe las, sie je lesen würde. Und jetzt war sie müde, durcheinander, und ihre klaren Gedanken brauchte sie, die wirklich dringlichen Fragen zu beantworten: Ob sie mit zwei Männern gleichzeitig etwas haben sollte? Ob beide Männer davon wissen durften, oder besser nicht? Sie hatte die Eifersucht schlimme Dinge anstellen sehen.
Sie schloss die Augen und verfolgte den Tanz violetter Fasern am Rande ihres Blickfeldes. Woraus auch immer das Kügelchen aus Forss’ Wandregal bestand, es war kein Kokain. Es hatte süß geschmeckt, wie eine Zuckerpastille. Im Inneren mehlig. Aber sie war auf der Stelle zur Ruhe gekommen, und jetzt fühlte es sich an, als erwärmte ein großer, runder Stein ihr die Bauchhöhle und die Brust. Ketamin, fiel ihr ein. Eine Partydroge, die einen den Verstand verlieren ließ. Ein Beruhigungsmittel für Pferde. Das passte zu Forss.
– Sassie? Myrbäcks Stimme riss sie aus einer Trance. Sie hatte Mühe, sich von der Bank aufzurichten, Worte zu formen. Ein leierndes Ja fiel ihr von der Zunge.
Er stand im Bademantel in der offenen Tür, die eine Hand am Rahmen.
– Ich wollte dich nicht wecken, flüsterte er, so als könnte er es rückgängig machen. Er machte kehrt.
– Geh nicht.
Er blieb stehen und sah sie forschend an.
– Fass mich an, sagte sie.
Er kam, beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn, auf die Nase. Seine Lippen waren weich. Seine kalte Hand legte sich auf ihren Bauch und rutschte unter ihre Bluse, wo sie auf ihrem Busen ruhte. Plötzlich zog er sie wieder zurück.
– Was willst du von mir?, fragte er.
– Was glaubst du?
– Du willst nicht nur mich, sagte er.
– Ach, das ist es. Du bist eifersüchtig. Auf Jan. Auf einmal war sie hellwach. Es fühlte sich schauderhaft an. Die Hüften und Schenkel taten ihr weh. Ihre Füße waren kalt.
Er warf ihr einen bösen Blick zu, setzte sich auf einen Stuhl und starrte auf seine Hände. Dann stand er auf. Er ließ sich Zeit dabei, das Geschirr in die Spüle zu räumen. Den Tisch zu wischen. Wasser in die Kaffeemaschine zu füllen, den Filter an seinem Rand zu knicken. Er öffnete alle Schranktüren, erst in der letzten fand er das Kaffeepulver. Es erleichterte sie, dass er sich so viel Zeit nahm. Sie fürchtete sich vor dem Moment der Stille, der gleich folgen würde.
Als die Maschine gurgelnd das letzte Wasser in den Filter spülte, sah er auf und fragte:
– Hast du was mit Holzapfel?
Sie war auf diese Frage nicht vorbereitet.
– Ja, sagte sie.
– Wie war es? Sein Blick über die erhobene Tasse hinweg sah ganz leer aus, fand sie. Aufgegeben.
– Es ist nur einmal geschehen. Es ist einfach passiert.
– Es ist einfach passiert. Es ist einfach passiert. Er äffte sie mit schriller Stimme nach. Weshalb sagst du so etwas?, fragte er. Sie konnte an seiner Hautfarbe sehen, wie die Wut in ihm aufstieg.
– Was
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