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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Lichtgeschoss, das die Sträucher der Böschung und weiter vorn die Betonbeine des Wasserturms für Sekunden in gelbliches Licht tauchte.
    Myrbäck war schuld. Seinetwegen lebte sie in Nynäshamn. Knut Giovanni mit seinen Blinkeraugen, seinem Hundeblick, seiner ungestümen Liebe damals, da war er Anfang zwanzig. Zwei Jahre lebten sie zusammen, dann war er in den Bus gestiegen, hier unten vorm Haus, ist nach Hamburg oder sonst wohin, aber nie zurück zu ihr.
    Sie war geblieben. Ein Fehler? Nein. Vielleicht.
    Heute gehörte sie zum Personal der Nicksta-Schule, 486 Schüler, 38 Lehrer, eine Schulkrankenschwester. Ich habe eine Ehe hinter mir, sagte sie sich, und eine Tochter alleine großgezogen. Was dem gewöhnlichen Lebenslauf einer Frau meines Alters entspricht. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass ich eines Tages in diesem Ort landen würde. Ich hatte diese Häuser wohl manchmal durch die Zugfenster gesehen, und bestimmt habe ich mir damals, als ich die Wohnung besichtigte, gesagt, dass ich zum Glück nicht für alle Zeiten hier würde leben müssen. Vielleicht bin ich zwischen Wohnblöcken und Fremden über die Jahre verbittert und übellaunig geworden.
    Der Schnee war in Regen übergegangen. Sie machte kehrt.
    Den dunkelgrünen Wagen hatte sie nicht vergessen. Um ihm auszuweichen, wählte sie den Trampelpfad, der von der Bahnlinie direkt zu den Häusern am Hang über ihr führte. Sie kämpfte sich ein Stück durchs Gestrüpp und stieg weiter oben durch ein Loch im Maschendrahtzaun. Zwischen den Büschen hatte der Frost den Boden nicht hart werden lassen.
    Der Pfad endete an der Rückseite des Fahrradschuppens. Hinter einem verschneiten Stapel Fahrradwracks blieb sie stehen, ein flaues Gefühl im Bauch. Der Wagen stand jetzt auf einem der Parkplätze vor dem Haus. Auf seine Frontscheibe hatte sich eine Schneepampe gelegt.
    Sie wollte nicht aus dem Schatten des Schuppens treten, denn dann wäre sie selbst zu sehen gewesen. Sie lauschte. Ihr Herz schlug zu schnell. Auf dem Spielplatz zwischen den Häusern trieb der Wind Schaukelketten gegen ein Gerüst. Das waren gewohnte Geräusche. Sie trat ins Licht der Weglampe und sprang auf den erleuchteten Hauseingang zu.

W usstest du, dass die weibliche Brust beim Joggen durchschnittlich neun Zentimeter pro Schritt hüpft?
    Jan Holzapfel las ihm aus einer deutschen Illustrierten vor. Seit vier Abenden arbeitete er sich methodisch durch kurze wie lange Artikel, er verdrückte sie portionenweise, und gern ließ er andere teilhaben an seinen Lesefreuden.
    Sie lagen nebeneinander: Er, Myrbäck, auf dem Bett; Holzapfel eine Armlänge entfernt, auf einer Kingsize-Luftmatratze. Die Luft im Zimmer war stickig, aromatisiert vom Gummi der Luftmatratze, kaum zu atmen, denn Jan hatte die Heizung bis zum Anschlag hochgedreht. Er fürchtete, sich einen Schnupfen geholt zu haben: am Ende seiner Reise ins winter liche Schweden, er zu Fuß mit nasser Mütze auf dem Kopf un terwegs durch Schneeregen, wo gibt’s denn so was, mit Gepäck vom Bahnsteig bis hoch auf den Hügel hier, in diesem Kaff fährt ja nachts kein Scheißtaxi. Myrbäck kannte die Geschichte seiner elenden Ankunft auswendig.
    – Was du nicht sagst, antwortete er jetzt müde. Neun Zentimeter? Wohin hüpfen die?
    – Verstehe ich auch nicht.
    – Und wie misst man so etwas?
    – Vor allem: Wer? Die guten Jobs haben immer die anderen. Holzapfel vertiefte sich wieder in seine Lektüre.
    Aus der Ecke des Zimmers erklang das säuselnde Schnarchen eines Jungen, der seine Erkältung verschleppt hatte. Ed war endlich eingeschlafen.
    Der Raum, in dem sie lagen, war klein, eng und bis vor vier Tagen von Heidis Tochter Malin bewohnt worden. Jetzt sah es hier aus, als hätten Flüchtlinge ihr Lager aufgeschlagen. An der fensterlosen Wand hatten sie zwei Stühle und den Nachttisch aufgestellt, die als Ablage für Kleider und Krimskrams dienten. Von der Dachleiste des zweitürigen Kleiderschranks hingen ihre Hemden, Jacken, Mäntel.
    Die Wand oberhalb seines Bettes zierte ein Potpourri billig gerahmter Porträts. Malin auf dem Rücken eines Pferdes. Malin auf einem Klassenfoto und am Strand von Lövhagen. Heidi und Malin mit Badeball vor mediterraner Landschaft. Kreta? Malin mit Vater. Der fesche Olofsson, stellte Myrbäck befriedigt fest, hat es in diesem Heim zu einem überbelichteten Porträtbild gebracht, mehr war nicht drin gewesen für ihn.
    Über seine eigenen Sympathiewerte in dieser Wohnung wollte Myrbäck jetzt lieber

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