Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
sich nicht mal Papa traut.«
Es war vollkommen unerheblich, dass Emma und Adrian Dan schon oft Papa genannt hatten. Sie war jedes Mal gerührt. Noch ein Grund, warum sie diese Tage für sich allein brauchte. Sie musste einen Weg finden, wieder ganz die Alte zu werden. Der Familie zuliebe.
Sie küsste Emma auf die Wange. »Wir sehen uns Sonntagabend.«
Emma rannte zum Auto, und Anna lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen und genoss das Schauspiel in der Einfahrt. Dan war ins Schwitzen gekommen und schien allmählich die Aussichtslosigkeit des Unternehmens zu begreifen.
»Meine Güte, was die alles eingepackt haben!« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Obwohl der Kofferraum bereits proppenvoll war, lag noch haufenweise Krempel im Flur.
»Sag nichts!« Er drohte Anna mit dem Zeigefinger.
Sie breitete die Arme aus. »Ich sage keinen Ton.«
»Adrian! Muss Dino wirklich mit?« Dan hielt Adrians Lieblingskuscheltier in die Höhe, einen etwa ein Meter hohen Dinosaurier, den er von Erica und Patrik zu Weihnachten bekommen hatte.
»Wenn Dino nicht mitdarf, bleibe ich auch zu Hause«, brüllte Adrian und riss den Dinosaurier an sich.
» Emma?«, rief Dan nun. »Musst du alle Barbiepuppen mitnehmen? Such dir doch einfach die zwei schönsten aus.«
Emma fing sofort an zu weinen. Anna schüttelte den Kopf. Sie warf ihrem Lebensgefährten eine Kusshand zu.
»In diesen Kampf mische ich mich nicht ein, denn hier kann es nur einen Sieger geben. Viel Spaß.«
Sie ging hinauf ins Schlafzimmer, legte sich auf die Tagesdecke und schaltete mit der Fernbedienung den kleinen Fernseher ein. Nach reiflicher Überlegung entschied sie sich für Oprah.
Verärgert klopfte Sebastian mit dem Kugelschreiber auf den Block. Obwohl alles nach Plan lief, wollte sich seine übliche gute Laune nicht recht einstellen.
Er liebte das Gefühl, Percy und Josef zu dominieren, und ihre gemeinsamen Geschäfte entwickelten sich in dieser Hinsicht recht lukrativ. Manchmal wurde er aus anderen Menschen jedoch nicht schlau. Nie im Leben hätte er sich mit jemandem wie ihm selbst eingelassen, aber die beiden waren – jeder auf seine Weise – verzweifelt: Percy hatte Angst, dass ihm das väterliche Erbe weggenommen wurde, Josef bemühte sich um Wiedergutmachung und um Anerkennung seiner Eltern. Percys Gründe konnte er besser verstehen als Josefs. Percy war dabei, etwas Wichtiges zu verlieren: Geld und Status. Josefs Motive dagegen waren Sebastian ein Rätsel. Was hatte Josefs Projekt schon für eine Bedeutung? Außerdem war es eine absolut wahnsinnige Idee, ein Museum über die Judenvernichtung zu eröffnen. Es würde sich niemals tragen, und wenn Josef nicht so ein Idiot wäre, hätte er das auch begriffen.
Sebastian stand auf und stellte sich ans Fenster. Der ganze Hafen war voller Boote unter norwegischer Flagge, und auf der Straße hörte man überall Norwegisch. Er hatte einige schöne Immobiliengeschäfte mit Norwegern gemacht. Sie waren durch das Öl nicht nur reich, sondern auch bereit, viel Geld auszugeben, und hatten für ihre Häuser mit Meerblick an der Westküste vollkommen überhöhte Preise gezahlt.
Langsam blickte er nach Valö hinüber. Warum musste Leon unbedingt zurückkommen und alles wieder aufwühlen? Er dachte kurz über Leon und John nach. Eigentlich hatte er auch über sie Macht, aber er war immer so klug gewesen, sie nicht auszunutzen. Stattdessen hatte er wie ein Raubtier die schwächeren Elemente erkannt und isoliert. Nun wollte Leon die Herde wieder zusammentreiben, und Sebastian hatte das Gefühl, dass er dabei nicht gut abschneiden würde. Doch der Stein war bereits ins Rollen gekommen, und nun war es nicht mehr zu ändern. Es war nicht Sebastians Art, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die er nicht beeinflussen konnte.
Erica sah aus dem Fenster, bis sie Patriks Wagen nicht mehr sehen konnte. Dann legte sie los. Eilig zog sie die Kinder an und setzte sie ins Auto. Sie hinterließ Ebba, die noch schlief, einen Zettel. Das Frühstück sei im Kühlschrank, und sie habe etwas zu erledigen. Da sie Gösta kurz nach dem Aufwachen eine SMS geschickt hatte, wusste sie, dass er sie erwartete.
»Wo fahren wir hin?« Maja saß mit ihrer Puppe im Arm auf der Rückbank.
»Zu Onkel Gösta.« Im selben Moment wurde Erica klar, dass ihre Tochter gnadenlos alles weitererzählen würde. Nun, früher oder später erführe Patrik ohnehin von ihrer und Göstas Abmachung. Mehr Sorgen machte ihr, dass sie
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